Zur Exotik verdammt

■ Gran Circo Teatro aus Chile mit Popol Vuh bei Movimientos

aus Chile mit Popol Vuh bei Movimientos

Daß der chilenische Regisseur Andrés Perez Araya bei Ariane Mnouchkine in die Lehre gegangen ist, ist nicht zu übersehen. Seine Inszenierung Popol Vuh, jetzt beim Theaterfestival Movimientos als vorletzte Premiere aufgeführt, ist ein breit angelegter Bilderbogen, der von Musik, Bewegung und Kostümen lebt.

Auf der weiten Bühne der Kampnagel-Halle 6 ließ Araya seinen Gran Circo Teatro in einer Prozession aufmarschieren, ein Volksfest läutet das Stück ein - laut und überschäumend, wie wir das von lateinamerikanischen Bacchanalien erwarten. Aus Weihrauchnebel und scharfem Gegenlicht schälen sich Szenen aus der Maya-Kosmogenie, dem Popol Vuh. Dieses „Buch des Rates“ ist die einzige erhaltene Aufzeichnung der Traditionen und religiösen Vorstellungen der Quiché-Mayas aus dem heutigen Guatemala, es ist im 16. Jahrhundert von einem unbekannten indianischen Autor in lateinischer Schrift verfaßt worden.

Solcherart Mythen sind für Europäer vor allem exotisch, also bunt und fremd, verständlich sind sie kaum. Und die spärlich unter den Zuschauern verteilte „Szenenbeschreibung“ zu Popol Vuh war völlig untauglich, in den Stoff einzuführen. Der Freude des Publikums an der raschen Bilderfolge tat dies keinen Abbruch.

In den Figuren, bekleidet mit folkloristischen, vielleicht auch rituellen Kostümen und Masken, sind Götter auszumachen, die erfolglos versuchen, den Menschen aus Lehm und Holz zu schöpfen. Erst ein Teig aus Mais erweist sich als geeignetes Material. Das kultische Ballspiel, Machtkämpfe zwischen den Helden sind zu sehen, Musik bestimmt das Tempo des Spiels. Die Sänger und Instrumentalisten knüpfen zwar an die bekannte Indio-Folklore an, sie erzählen die mythischen Geschichten aber mit ironischen Brechungen und beweisen, daß dieser Teil lateinamerikanischer Kultur sich nicht im Anden- Gedudel, wie es in deutschen Fußgängerzonen zu Gehör gebracht wird, erschöpft, sondern formenreich und innovativ sein kann.

Die Tänze der Schauspieler, die Darstellungen von Tieren, Göttern und Geistern aber verloren sich allzuoft im Kunstgewerblichen, waren mithin souvenirtauglich - eben bunt und vertraut fremd. Mag sein, daß außereuropäische Mythen hierzulande, ohne ethnologische Belehrung dargebracht, zur Exotik verdammt sind.

Michael Berger