Brave Adoleszenzkomödie

■ Macunaima verwirrte das Movimientos-Publikum mit einem naiv-frivolen Märchen

verwirrte das Movimientos-Publikum mit einem naiv-frivolen Märchen

Mögen die Gruppen, die sich auf dem Internationalen Sommertheaterfestival Movimientos präsentieren, auch noch so unterschiedlich sein, ein Anspruch ist ihnen allen gemein: Sie wollen nicht weniger, als „die Grenzen herkömmlicher Theaterformen überschreiten“. Was an herkömmlichen Formen so schlecht sein soll, sagen sie nicht. Auch der Brasilianer Antunes Filho verrät es nicht, mit seiner Gruppe Macunaima brachte er immerhin einen Traditions-Prototyp auf die Bühne des Malersaals: ein Märchen.

Nova Velha Estória, Neue alte Geschichte, nennt Filho, Primas der brasilianischen Theaterszene, seine Rotkäppchen-Adaption. Das Thema weckt bei erwachsenen Männern Sexualphantasien, das ist bekannt, auch Filho erliegt der Versuchung. Sein Rotkäppchen ist ein pubertierendes Gör mit Hasenzähnen, der Wolf ein triebhafter Penner, der die Witterung von Rotkäppchens Menarche aufnimmt. Wie nicht anders zu erwarten, landet das Mädchen nicht im Bauch des bösen Wolfs, sondern gemeinsam mit dem Verführer im Bett der Großmutter.

Macunaima führt das Märchen als Groteske vor, die Figuren sind zu Piktogrammen stilisiert und sondern eine Kunstsprache ab. Das wäre vergnüglich, wenn nicht jeder Regieeinfall bis zum Anschlag ausgespielt würde, wenn die Adoleszenzkomödie sich aus ihrer sexuellen Beschränktheit lösen könnte. Die neue alte Geschichte erschöpft sich so in Albernheiten, und das naiv-frivole Rotkäppchen hat nichts zu verlieren, außer seiner Jungfräulichkeit. Konventionell auch die Moral: Gut & Böse bedingen sich gegenseitig und sind nicht eindeutig

1zu vergebende Zensuren. Der virile Märchenwolf hatte schon immer die Sympathie der Väter.

„Es ist immer der gleiche Frühling, nur mit anderen Blättern“,

1wird Regisseur Filho zitiert. Wir warten also weiter auf die Gruppe, die zeigt, was es heißt, „herkömmliche Formen“ hinter sich zu lassen. Michael Berger