KOMMENTAR
: Die Einheit macht's möglich

■ Die Berliner Staatsanwaltschaft zieht gegen die DDR-Justiz zu Felde

Die Staatsanwaltschaft beim Berliner Kammergericht hat jetzt die Aufhebung des 1950 vom damaligen Ostberliner Landgericht gesprochenen Urteils gegen den ehemaligen SA- Scharführer Otto Busdorf beantragt. Dieser war mitverantwortlich für den Mord an dem Werkzeugmacher Paul von Essen während der „Köpenicker Blutwoche“ im Juni 1933.

Die gleiche Staatsanwaltschaft, die jetzt gegen Erich Mielke zu Felde zieht — Honecker und Co. stehen auch bald vor Gericht —, legte sich jetzt mit der Begründung für den SA-Mann Busdorf ins Zeug: Dieser sei kein direkter Tatbeteiligter gewesen, und vorsätzliches Handeln habe ihm schon gar nicht nachgewiesen werden können. Auch von den entsetzlichen Mißhandlungen könne er nichts gewußt haben. Und schließlich habe es sich um einen von der SED gesteuerten Politprozeß gehandelt. Basta.

Nun darf man also gespannt sein, zu welchen Erkenntnissen die gleiche Staatsanwaltschaft im Falle der im Knast sitzenden DDR-Politprominenz kommt. Ob hier dann ausgesprochen wird, wer die Täter waren und was Schuld ist? Oder wird mit den Beleidigungen der SED-Opfer fortgefahren? Wird die Staatsanwaltschaft für Mielke aufgrund von durch die Gestapo erpreßten Zeugenaussagen wegen Polizistenmordes eine lebenslange Freiheitsstrafe fordern? Soll Honecker wegen seines spießigen, vom Staat finanzierten Wandlitzer Ambientes hinter Gitter?

Ein Aufatmen ginge dann auch durch die Reihen der Untersuchungsführer der Stasi. Schließlich wird man ihnen damit die Last der Vergangenheit ebenso von den Schultern nehmen, wie man es jetzt bei Busdorf versuchte. Auch sie waren ja keine direkten Tatbeteiligten.

Hier soll keine Lanze für die DDR-Justiz gebrochen werden. Jeder weiß, daß sie sich im 40jährigen repressiven Umgang mit politisch Andersdenkenden hinlänglich desavouiert hat. Aber eines kann man ihr nicht vorwerfen: Im Unterschied zur westdeutschen Justiz hat sie die Nazi-Verbrecher, derer sie habhaft werden konnte (und wollte), ihrer gerechten Strafe zugeführt.

Das ist ein bleibendes Verdienst, selbst wenn man in Rechnung stellt, daß die aufgegriffenen antifaschistischen Traditionen der DDR beinahe ausschließlich dazu benutzt wurden, den Arbeiter- und Bauernstaat und den SED-Führungsanspruch zu legitimieren sowie Glaube und Verdrängung zu produzieren. Claus-Dieter Sprink

Leiter des Köpenicker Heimatmuseums und der Gedenkstätte „Köpenicker Blutwoche“