Schweiß und Tränen für Autofahrer

Die Koalition hat die heilige Kuh Auto als Melkkuh entdeckt/ Mineralölsteuer, Schwerlastabgabe und Autobahnvignette/ Geld kommt nicht nur Bahnreform zugute/ SPD: „Aufschwunglüge“ würde finanziert  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) — Die freie Fahrt soll für die freien Bürgerinnen und Bürger im vereinigten Deutschland deutlich teurer werden. Das ist die Quintessenz von Steuer- und Abgabenplänen der Bonner Koalition, die am Wochenende bekannt wurden. Bundesverkehrsminister Günther Krause (CDU) will danach im kommenden Jahr eine Schwerlastabgabe und spätestens 1995/96 auch Autobahnbenutzungsgebühren für alle AutofahrerInnen. Und Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) hat zum zweiten Mal in einem Jahr die Mineralölsteuer als Finanzierungsinstrument für die deutsche Einheit entdeckt. Gleichzeitig drehen auch Länder und Kommunen an der Preisschraube für die Benutzung der heißgeliebten Blechkisten. Wer künftig in der Berliner Innenstadt parken will, soll dies erheblich teurer bezahlen müssen.

Anlaß für die angekündigte staatliche Melkaktion ist die Sanierung und Privatisierung der Bundesbahn. Die kostet den Finanzminister in einem ersten Schritt schon 13,7 Milliarden Mark für den Start der Entschuldung und die Bereitstellung von Eigenkapital. Die Entscheidung über die kostenträchtige Umwandlung der Bundesbahn soll in dieser Woche im Kabinett erfolgen. Bislang ist jedoch nach einem Bericht der 'Wirtschaftswoche‘ keine müde Mark für die Bundesbahn-Reform in die mittelfristige Haushaltsplanung von Waigel eingestellt.

Krause bezifferte in einer Interview-Serie den geplanten Anstieg der Kosten fürs Autofahren auf bis zu 30 Prozent. Konkrete Zahlen über die erwarteten Gesamteinnahmen nannte Krause selbst aber nicht.

Die Schwerlastabgabe könnte nach dem Bericht der 'Wirtschaftswoche‘ jährlich rund eine Milliarde einbringen. Vorläufig, so Krause dazu im 'Spiegel‘, soll die Gebühr für einen 40-Tonnen-Laster maximal 9.000 Mark betragen, umweltfreundlichere Lkws könnten gleichzeitig bei der Kfz-Steuer entlastet werden. Eine ähnliche Abgabe hatte Krause 1991 schon einmal propagiert. Der Verkehrsminister war damals aber beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg gescheitert. Die Richter sahen im damaligen Konzept unzulässige Wettbewerbsvorteile für die deutschen Spediteure. Inzwischen soll der EG-Verkehrskommissar Karel van der Miert prinzipiell nichts mehr gegen die deutschen Pläne einzuwenden haben, hieß es in Bonn. Notfalls werde man eben erneut den Alleingang versuchen.

Nicht nur Spediteure, auch normale Autofahrer sollen für das Fahren auf Deutschlands Autobahnen finanziell bluten. Dazu plant Krause eine Autobahnvignette nach Schweizer Vorbild. Pro Auto wird das Fahrvergnügen auf Deutschlands Raserpisten dann 200 bis 400 Mark im Jahr kosten. Der finanzielle Effekt dieser Maßnahme ist beträchtlich: Wenn die bundesdeutschen Autofahrer alle ihre 40 Millionen Blechkisten mit einer solchen Vignette ausstatteten, brächte das weitere 8 bis 16 Milliarden Mark in die öffentlichen Kassen.

Den schnellsten Geldsegen würde sich Bundesfinanzminister Waigel allerdings durch die nochmalige Erhöhung der Mineralölsteuer verschaffen. Zehn Pfennig mehr Mineralölsteuer spülten zusätzlich rund vier Milliarden Mark pro Jahr in seine Kassen. Einziger Haken: Selbst die eigenen Leute glauben nicht mehr, daß Waigel diese Steuermilliarden tatsächlich für die Bahnreform nutzen will. Kabinettskollege Krause beispielsweise gab im ‘Spiegel‘ zu Protokoll: „Dafür mag es gute finanzpolitische Gründe geben. Für die Bahnreform ist dies jedoch nicht zwingend.“

In diese Kerbe schlagen auch die oppositionellen Sozialdemokraten. Der SPD-Umweltpolitiker Michael Müller fordert eine „Zweckbindung dieser Milliardenbeträge für den ökologischen Umbau des Verkehrssystems im Osten“. Dafür könne die Mineralölsteuer von ihm aus sogar um eine Mark erhöht werden. Was Waigel und Krause allerdings vorschlügen, sei die Finanzierung der „Aufschwunglüge“ über die Belastung des Verkehrs. Das Geld versickere doch bloß im allgemeinen Finanztopf. „Die sind einfach finanziell am Ende.“

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