SHORT STORIES FROM AMERICA VONMARCIAPALLY

Thelma und Louise hatten völlig recht: Natürlich können Frauen Cowboys sein. In Amerika ist das eine wichtige Qualifikation, wenn man sich um ein öffentliches Amt bewirbt. Selbst die Jüngsten haben noch nicht vergessen, wie George Bush bei seiner letzten Präsidentschaftskampagne sich mit allen Kräften gegen den Vorwurf wehrte, er sei zu weich. „Ich bin kein Jammerlappen“, sagte er witzig. Auch Frauen, die sich in diesem Jahr in ungewohnt hoher Zahl um Ämter bewerben, dürfen das nicht sein. Jammerlappen gewinnen nicht. Die Zeitungen übrigens berichteten von dieser Schwemme weiblicher Kandidaten mit einem aufgeblähten Stolz, als sei sie einzig ihr Verdienst. Ein richtiger Haufen Jammerlappen.

Berichtet wird von den guten Chancen der Senatskandidatinnen Lynn Yaekel in Pennsylvania und Carol Braun in Illinois; Frauen (Diane Feinstein und Barbara Boxer) bewerben sich gegen männliche Konkurrenten um beide Senatssitze Kaliforniens; in New York sicherten sich Geraldine Ferraro und Liz Holtzman eine Menge Unterstützung, um gegen den gegenwärtigen Senator Al D'Amato anzutreten (vor dem Senat zerriß er einmal einen Katalog mit Robert Mapplethorpe-Fotografien, wegen der analen Themen, aber den größten Teil seiner Energie verwendet er darauf, den Staat zu bescheißen — so rum findet er es einfach richtiger).

Insgesamt bewerben sich 150 Frauen um Sitze im Repräsentantenhaus, von denen zwanzig gute Chancen haben (der 'New York Times‘ zufolge). Für den Senat kandidieren zwanzig Frauen, von denen fünf gewinnen könnten. Das ergäbe im Senat mit seinen hundert Sitzen eine Gesamtsumme von sechs Senatorinnen (zur Zeit gibt es eine Senatorin), und 49 Frauen im Repräsentantenhaus, bei einer Gesamtzahl von 435 Abgeordneten (zur Zeit sind 29 Abgeordnete Frauen). Falls jemand behauptet, das sei nicht viel — wenn sich die Zahl der Frauen im Senat um das Sechsfache erhöht, ist das doch wohl ein politisches Ereignis. Und außerdem können Bettlerinnen nicht wählerisch sein.

Der Schlüssel zu diesen möglichen Erfolgen von Frauen liegt in dieser Geschichte mit dem Vorwürf der Schlappschwänzigkeit. Politgurus haben sich im ganzen Land den Kopf zerbrochen, wie ihre Kandidaten vor diesem schlimmen Vorwurf zu schützen seien. Dann trat Perot auf den Plan. Die Zeitungen stellten ihr Gesülze über Frauensolidarität ein und beschäftigten sich mit Perot (wobei sie oft genug der Versuchung der unzähligen Namenswitzchen erlagen — am besten gefällt mir die Bezeichnung für seine Pläne zur wirtschaftlichen Erholung mit ihrem Anklang an Shakespeare: Prosperot.) Perot kommt an. Wenn Frauen so etwas vorweisen können, denken sich die Wahlmanager, dann läßt sich auch der Vorwurf vergessen machen, sie seien nicht hart genug.

Perots wichtigster Pluspunkt lautet „Außenseiter“. Als unabhängiger Kandidat ohne politische Erfahrung sei er, so behauptet er, von Korruption und Parteienfilz unbeleckt. Die Machtspielchen der alten Freunde seien ihm fremd. Zwar schmierte er 1987 alle möglichen und immer richtigen Hände, damit Bundes-, Staats- und Stadtregierung auf seinem Land einen Flugplatz bauten, bei einer Barinvestition von 200 Millionen Dollar plus zusätzlichen Steuererleichterungen. „Das Flughafenprojekt“, schrieb 'The Times‘, „zeigt, wie Mr. Perot Dinge erledigt — häufig durch die Anwendung von Geld und Druck im rechten Augenblick, zwei ehrwürdige Methoden in Washington von alters her.“ Zwar ist Perots Land, wenn man einem seiner höheren Angestellten glauben darf, seit der Flugplatzgenehmigung um zig Millionen Dollar im Wert gestiegen. Zwar hat Perot jr. dem Kongreßabgeordneten Jim Wright, der sich im Kongreß für das Flugplatzprojekt stark machte, eine Spende von 5.000 Dollar für dessen Wahlkampf zukommen lassen. (Wright trat 1989 zurück, nachdem ein Untersuchungsausschuß des Kongresses ihm die Übertretung von 69 Punkten der Kongreßordnung vorgeworfen hatte — in keinem Fall konnte den Perots illegales Verhalten vorgeworfen werden.)

Zwar gibt es da auch noch ein paar andere Dinge: Perot war bis zu diesem Jahr in einem Club Mitglied, dem keine Juden angehören. (Früher bedeutete das, daß man zum herrschenden inneren Kreis gehörte — heute bedeutet es nur noch eine schlechte Presse.) Perot vertraute Barbara Walters an, für höhere Positionen in Regierung oder Militär wolle er auf Homosexuelle verzichten, weil die zu umstritten wären; das klingt so ganz nach den traditionellen Methoden des inneren Kreises, sich hintenrum bedeckt zu halten.

Aber für die Nation bleibt Ross Perot ein Rebell, frei zu tun, was ein Mann tun muß. Er kommt aus Texas. Er ist ein Cowboy. Die Amerikaner erkennen in ihm ihr wahres Selbst und strömen ihm zu.

Auch Mädchen können Cowboys sein — oder doch wenigstens Außenseiter. Ganz egal, wie lange sie schon in der Politik sind — so „drin“ wie die Knaben waren sie nie. Wer hätte je gedacht, daß Sexismus auch eine gute Seite haben kann. Gegenüber den alten Freunden wirken sie wie Rebellen, mit einer eigenen Sichtweise. Sie stecken auch nicht im Parteienfilz: Es fehlt ihnen das Geld für die Korruption. Die Wahlmanager von Yaekel, Braun, Boxer etc. haben zu Recht aus dem Fall Perot gelernt, daß Außenseiter den Vorwurf der Schwächlichkeit überspielen können.

Aber Perot ist sogar noch ein bißchen mehr als ein Cowboy — er ist ein Außenseiter, der etwas wegschafft. Sein riesiges Vermögen beweist das täglich ohne große Worte. Die richtigen Hände zu schmieren, gilt als Plus (und die Enthüllungen über den Flugplatz lösten in der Politik keinerlei Reaktionen aus). Es heißt, er kümmere sich ums Geschäft. Wer sich ums Geschäft kümmert, glauben die Amerikaner, der kümmert sich auch um uns. Ganz gleich, ob das Bild des Selfmade-Mannes nur von ihm selbst verbreitet wird — die Amerikaner wissen insgeheim, daß es sehr schwer ist, wenn man alles selbst tun muß. Am besten wissen sie es, wenn das Geld bei ihnen knapp ist. Wer vom Strampeln im wirtschaftlichen Sumpf erschöpft ist, klammert sich an einen Strohhalm, um sich herausziehen zu lassen. Die Kehrseite des starken Individualismus ist die Suche nach dem starken Vater.

Ronald Reagan war ein Vater und brachte Amerika mit Gute-Nacht-Geschichten ins Bett. Bush, während des Golfkriegs ein Vater, sieht sein Vaterbild verblassen. Ross Perot ist Vater. Das ist seine Geheimwaffe im Gürtel seiner Cowboykluft.

Yaekel, Braun, Boxer etc. hatten bisher als Außenseiter Erfolg. Perots Erfolg weist darauf hin, daß dies nicht ausreicht. Unter ihren Außenseiterkostümen müssen sie außerdem noch Väter sein.

Warum nur rufen da manche Frauen: Schiebung?

PS: Und die beste Anti-Bush-Parole bisher: NO MORE BU-SH

Aus dem Amerikanischen von Meino Büning

POLITIKINAMERIKA:VIELEHÄNDESCHMIERENUNDHINTENRUMBEDECKTHALTEN