ERÖFFNUNG DES GEGENGIPFELS IN RIO

„Tropfen der Hoffnung“

Rio de Janeiro (taz) — Die Bühne am Strand von Rio ist an diesem Nachmittag eigentlich zu breit für ein Gruppenfoto. Doch das scheint die versammelten hochoffiziellen Herren und die wenigen offiziellen Damen überhaupt nicht zu stören. Sie, die MinisterpräsidentInnen, die BürgermeisterInnen, die Gouverneure und Minister sehen sich auch beim Gegengipfel im Mittelpunkt. Da kann die norwegische Umweltschützerin Elin Enge schneidend bemerken, daß „unser Lebensstil die größte Gefahr für das globale Überleben bedeutet“ — das Schaustehen geht mit gezückter Braue weiter. Erst der beherzte Einsatz von Roger Moore rettet das Eröffnungsfest des „Forum Global“, des Alternativgipfels von Bürgerinitiativen, Kirchen, Umweltverbänden und eingeschmuggelten Industrielobbyisten, vorm Abgleiten in die Farce.

Conferencier Moore rückt die pink und blau gestreifte Krawatte zurecht und räuspert sich: „Bevor ich aggressiv werde, und ich kann wirklich agressiv werden, meine Damen und Herren von der Presse, verlassen Sie bitte die Bühne.“ Die Rechnung geht auf. Auf der Bühne fehlen anschließend auch Gro Harlem Brundland, Mario Soares und andere.

Es wurde aber auch höchste Zeit, die aufgesetzte Symbolik zu beenden. Das nachgebaute norwegische Wikingerschiff „Gaia“ mit den abgelesenen Botschaften der Kinder an die herumstehenden Politiker war angekommen und abgefeiert, der persilweiße Heißluftballon mit dem himmelblauen „Tropfen der Hoffnung“ aufgepumpt, der Hubschrauber von CNN hatte seine Runden beendet, und auch Rios Gouverneur Leonel Brizola hatte ausgiebig in die Kameras gegrinst.

Moores Einsatz war also gut getimt. Kurz darauf verwandeln die Trommelschläge der „Sacred Drums on Earth“ den Fototermin für Prominente nämlich in so etwas wie ein Fest. Ende der Sonntagsreden, die Weltmusik regiert. Die Trommlertruppe aus vier verschiedenen Erdteilen stimmt einen der monoton-fesselnden indianischen Gesänge an. Zu Jimmy Cliffs Rivers of Babylon wiegt sich anschließend die ganze bunte Vielfalt gemeinsam im Takt.

„Das Forum wird zeigen, daß Regierungen heute weder die Macht noch die Verantwortung haben, die Probleme des Globus zu lösen“, hofft der Cheforganisator Warren Lindner. Bei der Eröffnung des Gegengipfels ist der Kampf gegen die lethargische Politik schließlich gelungen.

Als Gilberto Gil dann mit einer brasilianischen jugendlichen Sambaschule den Pao de Acucar anstimmt, streichen schon Scheinwerfer über die wogende Menge. Die Weltbürger singen, das Fest ist vorbei. Hermann-Josef Tenhagen