Schmeißt den Roten runter

■ Vatertag: 12 Lastwagenfahrer saufen sich durch die Stadt/ taz-Reporter wird als »Kommunist« enttarnt, dann aber doch nicht von der Kutsche geworfen

Berlin. Als die Sonne am höchsten steht, fahren sie mit der gemieteten Kutsche durch das Brandenburger Tor: die zwölf Männer einer Westberliner Spedition. Ununterbrochen füllen die »Könige der Landstraße« ihre mitgebrachten Bierkrüge mit Cola und Cognac, werfen die noch übrigen Eiswürfel in die Gläser. Bierkästen stehen noch halb voll unter den Sitzbänken im Schatten, Kühltruhen im Mittelgang, Scherben schwimmen in Bierpfützen. Seit vier Stunden rollen die 30- bis 50jährigen durch die City, und alle können nur noch lallen. Mancher hat einen Strohhut auf dem Kopf, aber nur einer hat sich verkleidet: auf dem Nachthemd werden die Bier- und Weinbrandflecken zahlreicher.

»Jetzt fahren wir bei Honey vorbei«, schreit einer, als die Kutsche auf der Straße Unter den Linden den ehemaligen Palast der Republik passiert. »Wo is'n dat Emblem?« wundert sich ein anderer über den leeren Kreis über dem Eingangsportal und füllt darauf erst mal sein um den Hals gehängtes Korngläschen mit Wodka auf. Ein Spediteur mit Schiffermütze ruft zu einer Menschentraube, die sich an einer Bushaltestelle angesammelt hat: »Scheiß Ossis!« — wie sich später herausstellt, wohnt der Lastwagenfahrer selbst in Marzahn. Es wird weitergesungen. »Bier her, Bier her, oder ich fall' um«, gröhlt die Mannschaft. Auf einem T-Shirt heißt es: »Montags könnt' ich kotzen«.

Es ertönt Schwarzbraun ist die Haselnuß, und der Marzahner gesteht: »Wir sind alle braun.« Bei der BVV-Wahl habe er die »Republikaner« gewählt — das erste Mal. Irgendwer redet vom »Führer«, einer ruft »Sieg Heil!«, doch dann erklingt ein anderes Sauflied, die Humpen werden nachgefüllt, und die Kutsche hält vor dem ehemaligen Außenministerium zur Pinkelpause. Acht Männer steigen aus, schwanken zu einem Busch und entleeren ihre Blasen. Der Marzahner Rep-Wähler fängt dieses Bild mit der Videokamera ein.

»Wir müssen was aushalten«, stöhnt Kutscher Siegfried Zenkel. Der 49jährige fährt im Winter mit den Pferden Kohlen aus, im Sommer Touristen, an Vatertagen Männer. Vor zwei Jahren war ihm einer vom Spandauer Fußballverein kopfüber aus der Kutsche gefallen, da sei die Feier vorzeitig vorbeigewesen.

Während der Pinkelpause verbreitet einer das Gerücht, daß der taz-Reporter für eine »kommunistische Zeitung« berichte. Ein Volltrunkener droht, den »Roten« von Bord werfen zu wollen. Doch offenbar findet sich für diese politische Aktion bei den Vätern keine Mehrheit. Die Kutsche ist wieder in Fahrt, und der Marzahner begründet, warum er »braun« gewählt hat. »Adolf« habe früher Arbeitsplätze geschaffen, und die »Republikaner« hätten etwas mit »Adolf« zu tun. Das Gequatsche von Schönhuber ärgere ihn aber. Denn in der Öffentlichkeit behaupte der Parteiführer, die Ausländer könnten kommen, im Hinterstübchen wolle der Politiker aber ganz anderes: »Alle abknallen.«

Bis Maueröffnung sei es ihm eigentlich gutgegangen, sagt der Trucker, der früher Möbel durch die DDR fuhr. Doch nach Maueröffnung habe ihm ein »Wessi« das Haus in Grünau weggenommen, seitdem wohne er in Marzahn. Auf welchen Beruf sich seine Frau umschulen läßt, weiß der Ehemann nicht: »Du, Hans, was macht denn die Angelika«, muß er bei einem Kollegen nachfragen. Dirk Wildt