Ozonloch immer größer

Berlin (taz) — Die Ozonschicht, die die Menschen vor gefährlichem ultraviolettem Sonnenlicht schützt, ist über der nördlichen Halbkugel wesentlich dünner und zerschlissener als bislang angenommen. Das ergaben Messungen der NASA. Damit werden noch mehr Menschen als bislang angenommen in den kommenden Jahren an Hautkrebs, Augenkrankheiten und Immun-System-Schäden erkranken. Erst kürzlich hatte die UN weltweit 300.000 zusätzliche Hautkrebskranke pro Jahr prognostiziert.

Über dem Nordosten der USA und Ostkanada entdeckten NASA-Wissenschaftler neue Höchstwerte ozonkillender Chlormonoxide, die 50 Prozent über den Spitzenwerten aus der Antarktis lagen. Zusammen mit dem chemischen Vetter Brommonoxid können Chlormonoxide beim richtigen Wetter ein bis zwei Prozent des schützenden Ozons am Tag killen, sagte Forschungsleiter Michael Kurylo. „Wir haben Bedingungen festgestellt, die ideal sind für die Zerstörung der Ozonschicht.“ 30 bis 40 Prozent der Ozonschicht wären so schnell zerstört. Die NASA-Wissenschaftler maßen das Chlormonoxid in bis zu 20 Kilometer Höhe aus einem umgebauten Spionage-Flugzeug U2. Gefährdet seien vor allem Skandinavien und Ballungsräume wie London, Moskau und Amsterdam. Das Ozonloch war vor zehn Jahren erstmals am Südpol entdeckt worden. Der effiziente Ozonkiller Chlormonoxid entsteht in der Atmosphäre aus Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKWs). FCKWs finden sich in Kühlschränken, Klimaanlagen und chemischen Lösungsmitteln. Umweltschützer fordern, möglichst schnell aus der Nutzung dieser Chemikalien auszusteigen. Besorgniserregend ist auch ein anderes Meßergebnis der US-Wissenschaftler. Die Stickoxidkonzentration in der unteren Stratosphäre nehme rapide ab. Diese Stickoxide hätten die Ozonkiller auf ihrem Weg in höherere Luftschichten bislang abgefangen, erklärt Chemiker James Anderson von der Harvard University. „Das Immunsystem der Erdatmosphäre ist offenbar viel schwächer, als wir bisher dachten“, so Anderson. Die Kombination aus der rapide dünner werdenden Ozonschicht und dem drohenden Kollaps des Atmosphären-Immunsystems habe die Forscher dazu gebracht, jetzt schon an die Öffentlichkeit zu gehen, obwohl die Messungen noch bis März weitergingen.

Zu allem Überfluß hat sich offenbar auch der Ausbruch des philippinischen Vulkans Pinatubo negativ auf die Ozonschicht ausgewirkt. Ein NASA-Satellit habe in der tropischen Stratosphäre über dem Vulkan niedrige Ozonwerte festgestellt, erklärte Kurylo. Der Vulkanausbruch im Juni könne also auch Auswirkungen für den Ozonabbau haben. Hermann-Josef Tenhagen