GASTKOMMENTAR
: Das Auswärtige Amt in Begründungsnot

■ Eine Woche Verzögerung, die in Somalia einige Dutzend Tote kostete

Nach über neun Monaten Zerren hatte sich das Bonner Verteidigungsministerium am 27.Januar bereitgefunden, Cap Anamur ein ganzes Paket an materiellen Hilfen für das Minenräumen in Somalia zu geben. Schon am 29.Januar sollten Vertreter von Cap Anamur in einem Depot der aufgelösten NVA in Storckow bei Potsdam Geräte begutachten. Denn nach dem „Befehl Nr.1: Unterstützung Cap Anamur bei der Minenräumung in Somalia“ sollten uns Ersatzteile und Tankwagen zur Verfügung gestellt werden: Tank-Kfz Ural 375 D, 200 Kettenglieder, Kettenbolzen, ein Werkstattwagen und so weiter.

Doch noch am 27. Januar zog das Auswärtige Amt das UN-Waffenembargo aus der Tasche und erzählte hoch und heilig: „Es war einmal... Mit den Minenräumpanzern, bei der UNO bekommt die Bundesrepublik das nicht durch.“ Nach Rabta, den Anlagen im Irak, den Blaupausen für Südafrika wollte sie sich den Skandal offenbar nicht leisten, aus humanitären Gründen Minensuch- und Minenräumgeräte nach Somalia zu schicken.

Die Journalisten wurden mit merkwürdigen falschen und halbgaren neuen Gründen gefüttert. Am Mittwoch dann die Latrinenparole: Die UNO in Genf, sprich: der Flüchtlingskommissar, will nicht, daß Cap Anamur diese Minenräumgeräte bekommt. Diesem Rat habe die Bundesregierung Folge geleistet. Ein Anruf in Genf oder beim UNHCR-Vertreter in Bonn, Koisser, genügte: Es gab diesen UNHCR-Rat gar nicht. Kurz: In seiner Beweis- und Begründungsnot hatte das Auswärtige Amt einfach Gründe erfunden.

Am vergangenen Donnerstag war es dann soweit. Der engagierte CDU-Abgeordnete Jürgen Augustinowitz hatte am Vormittag einen Antrag ausgearbeitet, nach dem Cap Anamur diese Geräte sofort für die Vernichtung der 1,4 Millionen Minen zur Verfügung stehen sollen: „Es ist besser, beim Minenräumen zu helfen, als Verstümmelte ärztlich zu behandeln.“ Das Auswärtige Amt sah rot. Das phantastische Begründungsgebäude brach zusammen. Um kurz vor 16 Uhr erfuhren es ausgewählte Journalisten: Genscher sagt dem Komitee Cap Anamur Minenräumfahrzeuge „aus humanitären Gründen“ zu. Von anderen als humanitären, liebe Leser und Mitbürger, war nie die Rede. Cap Anamur weiß allerdings offiziell noch nichts.

Wären wir ehrpusselig... aber wir sind es nicht. Wir freuen uns über eine neue Epoche humanitärer Arbeit, mit konvertierten Waffen. Wie war das doch? „Schwerter zu Pflugscharen“. Ecco! Rupert Neudeck

Rupert Neudeck ist Vorsitzender der Hilfsorganisation Cap Anamur.