Zukunft der Bahn ist dreigeteilt

Krach um radikale Bahnreform in der Regierungkommission/ Mehr Geld für abgewickelte Reichsbahner/ Dreiteilung der Bahn-AG jedoch nicht umstritten/ Keine Lösung für das flache Land  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) — Der Kommissionschef hatte sich schon auf die Schulter geklopft. Günther Saßmannshausen verkündete vergangene Woche, die elfköpfige Regierungskommission Bahn habe ihren Auftrag termingerecht erledigt und werde dem Kanzler eine 60seitige Empfehlung zur Bahnzukunft vorlegen. Kernpunkt des Berichts: Die Bahn soll ein Unternehmen werden, die Deutsche Eisenbahn Aktiengesellschaft (DEAG). Diese AG soll aus drei unabhängigen Teilen für das Streckennetz, den Güter- und den Personenverkehr bestehen. Die drei Teile sollen sich gegenseitig Rechnungen für ihre Leistungen ausstellen, so daß auch Private künftig ihre Züge über die Schienen schicken und dafür bezahlen könnten.

Für diese radikale Bahnreform muß der Artikel 87 des Grundgesetzes geändert werden, der der Bahn eine Behördenstruktur vorschreibt. Vor allem aber müßte der Bund nach Kommissionsmeinung 165 Mrd. an Altschulden und Altersversorgung übernehmen. Kohl und Krause stehen zum Programm, und auch die SPD will nicht abseits stehen.

Doch zuvor mußte BDI-Manager Saßmannshausen die elf Politiker, Manager und Professoren noch einmal zusammenrufen. Die Kommissionsmitglieder Ernst Haar, jahrelang Vorsitzender der Eisenbahnergewerkschaft, und sein Kollege Alfred Krause, Ex-Chef des Beamtenbundes, legten sich quer. Die Übergabe beim Kanzler mußte am Dienstag ausfallen, Verkehrsminister Krause bekam den Bericht erst gestern abend in die Hand gedrückt.

Die Kritik der beiden Arbeitnehmervertreter läßt sich in zwei Punkten zusammenfassen. Der Bericht müsse eine stärkere Berücksichtigung der Bahn bei künftigen Infrastrukturinvestitionen fordern und den Besitzstand vor allem des Personals der Reichsbahn besser sichern. Die ausscheidenden Reichsbahner sollten „mit vier Monatsgehältern abgespeist werden“, so Haar.

Die Kommission geht davon aus, daß der Bund künftig rund 80 Milliarden in die Alterssicherung einschießen muß — die Bahn als Behörde mußte hier keine Rückstellung bilden, die Kosten wären also in jedem Fall auf den Bund zugekommen. Zehn Milliarden soll die Sanierung der Bahnaltlasten kosten und 24 Milliarden die Sozialpläne. Rund 100.000 der 200.000 Reichsbahner sollen nach den Plänen nämlich früher oder später gehen. Bis zur Jahrtausendwende soll die erfolgreiche Bahn-AG dann sogar 45 Mrd. an Überschüssen überweisen können.

Zumindest Haars Infrastrukturargument wird auch in der Bahnverwaltung in Frankfurt reflektiert. Die Bundesbahn hat für den Bundesverkehrswegeplan einen deutlichen Ausbau der Bahninfrastruktur vorgeschlagen. „Wir hoffen, daß wir gerecht behandelt werden“, so Bahnsprecher Fridolin Schell. „Beim Eisenbahnausbau ist doch in den vergangenen 30 Jahren nichts gelaufen. Die beiden Neubaustrecken von Hannover nach Würzburg und von Mannheim nach Stuttgart sind zusammen gerade 450 Kilometer lang. Gleichzeitig wurden Tausende Kilometer neuer Autobahnen gebaut.“

Im übrigen ist die Bundesbahn mit den bekanntgewordenen Details des Kommissionspapiers weitgehend zufrieden. Reichsbahn- und Bundesbahnchef Heinz Dürr würde nach den Kommissionspapier endlich vom Behördenleiter zum Unternehmer. Auch die Übernahme der mehr als 50 Milliarden Altschulden und Tilgung, wie sie von der Kommission vorgeschlagen wird, paßt den Bahngewaltigen ins Konzept. Im nächsten Jahr würde die Bundesbahn nach ihren eigenen Plänen 7,8 Milliarden an Defizit einfahren.

Während hinter verschlossenen Türen in Bonn noch bis 18 Uhr gerungen wurde, zeichneten sich aber bereits die Probleme ab, die die Bahnkommission mehr oder weniger elegant ausgeklammert hatte. Der Kommissionsentwurf mit der Dreiteilung der Eisenbahn geht von einer schnellen Vereinigung von Bundes- und Reichsbahn aus. Verkehrswissenschaftler wie der Münsteraner Professor Hans-Jürgen Ewers hatten die Kommissionsmitglieder vor eben dieser schnellen Vereinigung gewarnt. Sie werde die Bundesbahn in den Fortschritten, die sie auf dem Weg zu einem Unternehmen schon gemacht habe, weit zurückwerfen.

Kritisch wird es vor allem beim Bahnverkehr in der Fläche. Die Bahn will schon länger auf diesen defizitären Bereich verzichten. Auch Bahnkritiker wie der Dortmunder Verkehrswissenschaftler Karl-Otto Schallaböck applaudieren: „Im Nahverkehr ist die Bahn so desinteressiert, die bekommen wir nicht auf den Gaul rauf.“ Eine Regionalisierung des Bahnverkehrs sei aber „nur defizitär zu machen“. Während bisher die Defizite beim Bund blieben, müßten dann künftig Länder und Kommunen dafür aufkommen, ohne die Rahmenbedingungen der Verkehrspolitik entsprechend gestalten zu können.