Brainsex mit Beziehungsfalle

■ Ein Besuch in der Ratgeberabteilung der nächsten Buchhandlung heilt jeden Liebeskummer

Liebeskummer? Trennungsprobleme? Partner fremdgegangen? Kein Problem mehr! Ein Gang in die Psychoabteilung der nächsten gutsortierten Buchhandlung schafft sofort Abhilfe. Schon der erste Blick auf die endlosen Reihen der neuen und allerneuesten Bekenntnistitel wie Lieb mich, Baby!, Liebeskummer als Weg der Reifung, Angenommen mein Partner geht fremd macht deutlich, daß man hier verstanden wird. Sofort wird der schwarze Klumpen in der Herzgegend leichter. Ach, und schon ist man nicht mehr allein auf der Welt!

Für stark Beziehungsgeschädigte ist ein ein- bis zweistündiger Intensivdurchgang einmal durch den ganzen Liebeszyklus besonders zu empfehlen. Man beginne mit eher katharsischen Werken, zum Beispiel Wenn Liebe krank macht, Lustverlust, In Liebe entzweit, Schluß mit dem Beziehungskrampf, Verlassen und verlassen werden, Die moderne Beziehung in der Sackgasse oder Wenn der Partner geht. Doris Wolf, Autorin des letztgenannten Werkes, klärt uns zum Beispiel in Windeseile über die korrekte Abfolge unserer Gefühle bei einer Trennung auf: »Nichtwahrhabenwollen — Aufbrechen der Gefühle — Wut und Haß auf den Partner — Wut und Haß auf sich selbst«. Für Menschen, die der Zweisamkeit abgeschworen haben, empfiehlt sich ein härteres Kaliber, etwa Erik Grawert-Mays Lob der Prüderie — die Erlösung von der Sexualität.

Hat man diesen Reinigungsgang passiert, geht es nun in die Phase der grundsätzlichen Reflexion existentieller Menschheitsfragen: Hat die Liebe überhaupt einen Zweck? Kriege ich überhaupt noch eine(n) ab? Das ist die richtige Minute für das Querlesen von Rat- und Auskunftsgebern, die sich wie Brücken über den Abgrund des Unverständnisses zwischen den Geschlechtern legen. Die sieben Irrtümer der Männer legt uns beispielsweise Peter Lauster nahe, der »seit Jahren meistgelesene deutsche Psychologe«, Deborah Tannen bietet uns ihr Standardwerk Du kannst mich einfach nicht verstehen — warum Frauen und Männer aneinander vorbei reden, und im Verlag Simon und Leutner liegen Männer im Bett: Ihre Ticks, ihre Tricks, ihre Tücken.

Nun, da man endlich die großen Folgen des kleinen Unterschieds deklinieren kann und insofern mit neuem kritischen Potential versehen gegen Dummerlinge beiderlei Geschlechts gefeit ist, kann man sich langsam wieder auf die ersten Flirts einlassen. Wie wäre es denn zum Beispiel mit Spiele der Liebe, Begierde, Verschwiegene Lust, Die Kunst des Küssens oder Feuer der Sinnlichkeit? Für Sensiblere empfiehlt sich eher Noch einmal mit Gefühl, für hartnäckige Romantiker klingt Liebe nach dem ersten Blick sehr vielversprechend, und für Dummis mit der Note 4 bis 5 im Biologieunterricht hat Veronica Voss genau das Richtige geschrieben: Wie die Nase des Mannes? 400 ultimative Antworten auf Fragen zu Liebe und Sex. In liebevoller Kleinarbeit hat die Autorin alles zusammengetragen, was dazu dienen könnte, das Niveau von Achim Schwarze noch zu unterbieten. Endlich erfahren wir hier Antworten auf uns schon jahrelang bedrängende Fragen: »Entstehen bei intensivem Sex Ringe unter den Augen? Haben Frauen auch eine Vorhaut? Sind Klapse auf den Po anregend?«

So geheilt von allen grundsätzlichen Zweifeln an der Liebe und angeregt durch diverse geistige Poklapse, können wir endlich ins Weihwasser des Ehehafens springen. Zumindest probehalber, in der Buchhandlung. Was soll uns schon passieren, bei all diesen Leuchttürmen der Erkenntnis um uns herum?: Haben Sie eine Liebesaffäre mit Ihrem Mann!, Wenn Ehen älter werden oder auch Mein Mann geht nicht fremd — Wie man Männer monogam hält. Schon auf der Buchrückseite schwört Autor Alexander Penney: »Seitensprung? Mein Mann doch nicht! Wenn Sie dieses Buch gelesen haben, werden Sie glücklich und sicher diese Feststellung treffen können.«

Doch wie das Leben so spielt — auch diese Liebe wird zu Ende gehen, schon allein, um unseren therapeutischen Schnelllesezyklus zu vollenden. Das beste Buch, um die bestehende Liebschaft wieder auseinanderzutreiben, ist von Ellen Lederman geschrieben: Passen wir zusammen? Perfekte Partner — wie Sie Ihr Beziehungsprofil ermitteln. Wir wußten bisher einfach nicht, wie wichtig eine übereinstimmende Gehirnhälftendominanz, Handschrift, Lieblingsfarbe, Schlafstellung, Geburtserfahrung, Augenfarbe oder Blutgruppe ist. Um beim letzteren zu bleiben: Gerade auch Blutgruppen verraten viel über den Charakter. Von einer Paarung zwischen Blutgruppe AB und Blutgruppe Null zum Beispiel ist dringend abzuraten, da ist zuviel Konkurrenz im Spiel: »Für andere Paare ist es vielleicht kein Problem, auf dem Tennisplatz miteinander wettzueifern, aber ein AB-0-Paar ist dazu nicht in der Lage.« Noch Fragen? Dann sind auch Sie so unheilbar krank wie all die Millionen von Ratgeber-Lesern, an deren Liebesbedürfnis die Verlage ihre Bilanzen gesunden lassen. Seid umschlungen, Millionen! Ute Scheub