Schwieriger Kongreß für Namibias Swapo

 ■ Aus Windhoek Willi Germund

„Wir befinden uns defintiv nicht in einer schwierigen Lage“, winkt Namibias stellvertretender Informationsminister Daniel Tjongarero ab. Geburtswehen, die gebe es schon, gesteht das Mitglied des Zentralkomitees und des Politbüros der regierenden Swapo aber ein. Zwanzig Monate nach der Unabhängigkeit trifft sich die Befreiungsorganisation an diesem Wochenende erstmals seit ihrer Gründung im Jahr 1960 zu einem Kongreß im eigenen Land.

Ein Premiere, die gleichzeitig eine Ära beendet: Die Swapo will sich während des vom Freitag bis Dienstag dauernden Treffens von einer Befreiungsorganisation in eine politische Partei umwandeln. Tjongarero: „Die Probleme, die es dabei gibt, haben andere Befreiungsbewegungen auch durchstehen müssen.“

Die in Namibia regierende Swapo kann sich weiteres Zögern nicht erlauben. „Es hat so etwas wie zwei Parteien gegeben“, sagt Tjongarero, „den politischen Teil im Land und den militärischen und diplomatischen im Ausland.“ Beide Sektionen sollen beim Parteitag in Windhoek nun zusammengeführt werden. Doch muß sich die Swapo nicht nur diesen schwierigen organisatorischen Fragen stellen. Denn die sogenannte Versöhnungspolitik, die seit der Unabhängigkeit im letzten Jahr betrieben wird, sorgte zwar für einen politischen Ausgleich zwischen der schwarzen Bevölkerungsmehrheit und den knapp 80.000 Weißen. Sie verhinderte aber auch einschneidende Reformen.

So warten viele der insgesamt 1,8 Millionen Einwohner immer noch auf ein Stück Land. Die Regierung überlegt gegenwärtig, Grundbesitz zumindest zu besteuern — in der Hoffnung, daß einige Großgrundbesitzer dann Land verkaufen. Zudem kriselt es im Bergbaubereich: Der Rössing-Konzern entließ Arbeiter und fährt Feierschichten, weil er das geförderte Uran nicht verkaufen kann. So gehen der Regierung von Swapo-Führer Sam Nujoma in diesem Jahr Steuereinnahmen in Höhe von 40 Millionen Mark verloren. Von den nach der Unabhängigkeit versprochenen ausländischen Hilfsgeldern kam bisher ebenfalls nur ein dünnes Rinnsal an.

Außerdem fällt es der Regierung manchmal schwer, selber zu handeln. Es dauerte über ein Jahr, bevor erstmals eine Teermaschine in Windhoeks Schwarzenviertel Katutura geschickt wurde, um die schlaglochübersäten Straßen auszubessern — die Verschönerung des Zentrums der Hauptstadt, in dem vorwiegend Weiße leben, wurde dagegen nie unterbrochen. Wenn sich der Erziehungsminister im Ovamboland an der Grenze zu Angola blicken läßt, wird er ebenfalls erst einmal ordentlich ausgepfiffen.

Aber Daniel Tjongarero ist zuversichtlich, daß die Namibier trotzdem Verständnis aufbringen: „Es hat keinen Sinn, heute alles mit vollen Händen auszugeben und morgen nichts mehr übrig zu haben.“ Aber der Swapo-Funktionär weiß auch: „Manchmal ist es schwer, Rationalität und Gefühle miteinander zu vereinbaren.“ Namibias Studentenverband, zu Zeiten des Unabhängigkeitskampfes fester Verbündeter, beschloß bereits seine Eigenständigkeit. Die Gewerkschaften entschieden sich bei einem Kongreß im April nur mit knapper Mehrheit für die Beibehaltung der Allianz.

Forderungen, endlich die Früchte des Unabhängigkeitskampfes zu ernten, werden bei dem Parteitag der Swapo sicher deutlich zur Sprache kommen. Die notwendige Formulierung neuer Ziele dürfte auch eine neue politische Perspektive einschließen. Wie viele andere Befreiungsorganisationen der Dritten Welt hatte sich auch die Swapo dem Sozialismus als Ziel verschrieben. In der Praxis aber schlug die Swapo-Regierung von Sam Nujoma längst einen so pragmatischen Kurs ein, daß davon wenig übrig geblieben ist. Ob sie die Namibier damit zufriedenstellt, wird sich im kommenden Jahr zeigen: Dann sind Kommunalwahlen geplant.