Milliardärsgattin dringend gesucht

■ Die Ostberliner Frauenzeitschrift 'Y‘ ist am Eingehen/ Die Trauer der Hinterbliebenen wird groß sein/ Der Basis-Druck-Verlag hat kein Geld mehr, und die Zeitschrift trägt sich nicht selbst

Prenzlauer Berg. Schon wieder. Und schon wieder. Und schon wieder ist ein unabhängiges einzigartiges originelles Medium am Eingehen. Wer 'Y‘, die seit Juni 1990 in der Schliemannstraße in Prenzlauer Berg erstellte Monatszeitschrift »aus Frauensicht« noch nicht kennt, ist erstens selber schuld und wird zweitens bald keine Gelegenheit mehr dazu haben. Wenn, ja wenn nicht doch noch die »auf irgendeiner handgedrechselten Ofenbank« sitzende »Milliardärsgattin« gefunden wird, wie die Redaktion hofft, »die den Sinn ihres Lebens finden möchte«.

Kann man einen solchen Sinn am Ende des Alphabets finden, ausgerechnet im Ypsilon? Oh ja, befanden die Gründerinnen, die sich nach der Wende zusammenfanden, um dieses »echte Kind jener revolutionären Wende-Zeit, eine Ausgeburt der chaotischen Verwirrung« in die Welt zu setzen. Der Basis-Druck-Verlag, gegründet von Männern im Umfeld des Neuen Forums zur Herausgabe von Büchern und Zeitschriften, suchte damals Frauen. Nein, nein, nicht doch, es ging um die Erstellung einer Frauenzeitschrift. Geld war vorhanden, scheinbar sogar überreichlich: Das erste, im März 1990 erschienene Basis-Druck-Buch, Ich liebe euch doch alle! Befehle und Lageberichte der Stasi, verkauften die bürgerbewegten Verlagsmitarbeiter wie warme Semmeln vom Laster runter. Die Erlöse der rund 270.000 verkauften Exemplare sollten fortan das Erscheinen der Wochenzeitung 'Die Andere‘ und 'Y‘ sicherstellen.

Und warum der Name 'Y‘? »Weil er der interessanteste und geheimnisvollste aller Buchstaben ist, weil sich in allen lebendigen Formen die aufstrebende Linienzeichnung des Y verbirgt, weil die Linien der geschlossenen Schenkel und der Leistenbeugen der Frau ein Y ergeben«, schreibt die Mitgründerin und Namensgeberin Claudia Kleinschmidt im Stattbuch Ost. Ihr ging es mit der Zeitschrift unter anderem darum, »unsere positiven Kräfte zu entfalten und den herrschenden männlichen Geist in seiner Eindimensionalität, seinem tierischen Ernst und seiner grausamen Prinzipienhaftigkeit zu erweichen.«

'Y‘ machte Furore. Weibliche Querköpfe und Schrägdenkerinnen setzten Ausrufezeichen und Gedankenstriche im Inhalt wie in der liebevoll-avantgardistischen Gestaltung des Blattes, und die verkaufte Auflage betrug anfangs stolze 15.000 Exemplare. Doch schon bald war der Männerverlag, in dem die 'Y‘-Frauschaft ohne juristische Abgrenzung und ohne Redaktionsstatut arbeitete, nicht länger zur Finanzierung der hohen Satz- und Druckkosten bereit. Und auch nicht mehr in der Lage, denn sein durch den Verkauf der Stasi-Protokolle aufgestapeltes Finanzpolster war aufgebraucht. Im September 1990 stellte der Basis- Druck-Verlag »seine« Frauenzeitschrift vorläufig ein. Vier der fünf bezahlten Redakteurinnen wurden entlassen, die fünfte sollte das Konzept für eine neue 'Y‘ ausarbeiten.

Im April 1991 erschien 'Y‘, die scheinbar Unverwüstliche, denn doch wieder, in neuem grafischen Gewand. Verkaufs- und Abozahlen stiegen an. Selbst in Großbritannien und den USA gebe es inzwischen Abonnentinnen, vermeldeten die Macherinnen stolz. Die Macherinnen: eine Handvoll Redakteurinnen und Schreiberinnen, von denen allein Kathrin Schmidt als Festangestellte bezahlt wird, und vier auf Honorarbasis arbeitende Gestalterinnen und Fotoredakteurinnen.

Doch »Y» am Ende des Alphabets traf auf Madame Misere am Ende des Regenbogens. Die Zeitschrift wollte sich einfach nicht selber tragen. Rund 1.000 Abos in Ost- und Westdeutschland plus 3.500 bis 4.000 Exemplare, die pro Monatsausgabe an Berliner Kiosken oder bundesweit als Auslegeware in Frauenzentren weggingen, das reichte einfach nicht. Und diverse Zusagen von Institutionen und Stiftungen, einen Teil der Herstellungskosten zu übernehmen, zerschlugen sich im kalten Wind der Berliner Politik.

Wird nun Schluß sein, jetzt, nach dem Oktoberheft? Der diesmalige Schwerpunkt, Ostfrauen kontra Westfrauen im männlichen Klima der deutschen Einheit, kam auch auf der Frankfurter Buchmesse gut an. 'Y‘-Autorin Annett Gröschner beispielsweise beschrieb die gesamtdeutsche Haßliebesheirat mit sarkastischem Unterton: »Da hat also diese arme unattraktive Ostfrau den reichen Westmann geheiratet und den Namen des Mannes angenommen. Sie hat alle ihre Freundschaften aufgegeben und verkehrt nur noch im Freundeskreis des Mannes. Er schiebt ihr ab und zu ein wenig Geld rüber (Aufschwung Ost für Abfall Ost)... Sie riecht jetzt besser und ernährt sich gesünder, und ihre Zähne werden saniert. Er hat ihr die Flausen gründlich ausgetrieben und bringt ihr jetzt das Rechnen bei.« Deswegen muß 'Y‘ jetzt aufgeben. Oder? Ute Scheub

Spendenkonto von 'Y‘: Berliner Stadtbank AG Konto Nr. 4381393301, BLZ 12020500