Unkonkrete Verkehrsvermeidung

■ Die Verkehrsminister von Bund und Ländern wollen Verkehr vermeiden, sagen aber nicht wie

Potsdam (taz) — Die Verkehrsminister von Bund und Ländern wollen in den neunziger Jahren erstmals Verkehr vermeiden und vermindern. Darauf haben sich alle Ressortchefs gestern auf ihrer Herbstkonferenz in Potsdam geeinigt. Wie diese Vermeidung konkret erreicht werden soll, ließen die verantwortlichen Verkehrspolitiker allerdings offen.

Baden-Württemberg hatte für die Konferenz einen Bericht über die Verkehrspolitik der neunziger Jahre erstellt. Wirtschaftsförderung und Wahrung der Mobilitätsbedürfnisse der Bürger mit dem Schutz der Umwelt und einer Senkung der Umweltbelastungen sollen demnach unter einen Hut gebracht werden.

Einig waren sich die Minister, daß Autofahren teurer werden muß. Für die Nutzung der Verkehrswege werde derzeit „kein marktgerechtes Entgelt gezahlt“. Umwelt- und Sozialkosten müßten dem Verkehr angelastet werden. Notwendig seien auch neue Lärm- und Schadstoffgrenzwerte für Autos und eine Verringerung der klimaschädigenden CO2- Emission um zehn Prozent bis 2010. Mit der letzten Forderung bleiben die Verkehrsminister aber weit hinter dem Bundeskabinett zurück. Das hatte im November 1990 eine Reduzierung der gesamten CO2-Emissionen von Autos, Kraftwerken und Hausheizungen um 25 Prozent bis 2005 beschlossen. Schließlich soll nach dem Willen der Länder nach dem Beschleunigungsgesetz für die neuen Länder ein ähnliches Gesetz für die gesamte Republik in Angriff genommen werden.

Grundsätzlich waren sich die Bundesländer auch über das notwendige Mehr an Verkehrssicherheit einig, nicht aber über eine neue Promillegrenze. Bayern und Baden- Württemberger mochten sich mit Bußgeldern bei 0,5 Promille nicht anfreunden. Die SPD-geführten Länder bis auf Rheinland-Pfalz wiederholten in Potsdam noch einmal die Forderung nach Tempo 120 auf den Autobahnen. Vier SPD-Länder setzten sich zusätzlich für Tempo 30 in den Städten ein. Beide Vorschläge fanden aber nicht die Mehrheit.

Eine heftige Rüge fing sich der Bundesverkehrsminister für seine Privatisierungspolitik ein. Die beschleunigten Verhandlungen zum Verkauf der regionalen Omnibuslinie der Bundesbahn seien „befremdlich“, zumal die Länder im Mai ein Verhandlungsmoratorium verlangt hätten. Die Länder forderten statt dessen, neue Zuständigkeiten im Bahnnahverkehr für sie auch mit mehr Geld, das heute beim Bund ausgegeben wird, zu koppeln.

Obwohl offiziell nicht über konkrete Projekte für den in Arbeit befindlichen ersten gesamtdeutschen Bundesverkehrswegeplan gesprochen wurde, zeigte sich in Potsdam wieder mehr Unterstützung für den Transrapid. Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Franz Froschmeier (SPD) kann sich eine Transrapid- Strecke von Hamburg nach Berlin mit Halt am Militärflughafen Parchim durchaus vorstellen. Man könne dann auf den politisch schwierigen Neubau eines Flughafens verzichten und statt dessen Parchim als Großflughafen für Hamburg und Berlin nutzen, sagte Froschmeier der taz. „Die Fahrtzeit wäre nur jeweils 30 Minuten von beiden Städten aus.“ Die parallel erstellte Hochgeschwindigkeitstrasse sei mit vermehrtem Güterverkehr gut genutzt. Hermann-Josef Tenhagen