1.000mal gefährlicher als Greifswald

■ Bulgarisches Atomkraftwerk des Greifswald-Typs wird auch im eigenen Land heftig kritisiert/ Töpfer trifft sich Anfang Juli mit internationalen Experten in Wien

Sofia (dpa/taz) — Das bulgarische Atomkraftwerk Kosloduj ist nach Einschätzung heimischer Atomwissenschaftler „tausendmal“ gefährlicher als vergleichbare AKWs sowjetischer Bauart in der Tschechoslowakei oder Finnland. Dies berichtete die regierungsnahe Zeitung 'Otetschestwen Westnik‘ am Montag in Sofia. Derzeit sind zwei der sechs Blöcke in Betrieb. Zwei weitere 440-Megawatt-Blöcke seien abgeschaltet worden. Ein neuerer 1.000-MW-Block steht ebenfalls still, und ein sechstes AKW an dem Standort ist noch nicht angelaufen. Kosloduj liegt etwa 150 Kilometer nördlich von Sofia an der Donau.

Die Internationale Atomenergie- Organisation (IAEO) in Wien hatte in den letzten Wochen schwerwiegende Mängel an den zwischen 1974 und 1982 angelaufenen kleineren AKWs in Kosluduj festgestellt und den bulgarischen Behörden empfohlen, diese Atomkraftwerke der Greifswald-Bauart abzuschalten. Mehr könne man im Augenblick nicht tun, so der IAEO-Sprecher Hans-Friedrich Meyer gegenüber der taz. Die bulgarische Regierung habe gegenüber der IAEO darauf beharrt, daß 50 Prozent des bulgarischen Stroms in dem schrottreifen AKW-Komplex erzeugt würden. Nach den Unterlagen der IAEO waren es 1990 nur 35,9 Prozent.

Unterdessen versucht die IAEO in Wien, für Bulgarien „Hilfe zu koordinieren und Geld zu sammeln“, so Meyer. Er könne sich aber nicht vorstellen, daß die bulgarischen Behörden die AKWs vor dem 9. Juli abschalteten. An diesem Tag tritt in Wien eine Konferenz von Atomministern und AKW-Spezialisten aus dem Westen, aus der Sowjetunion und Bulgarien zusammen, um die Sicherheitsprobleme des AKWs Kosloduj zu erörtern. Auch Bundesumweltminister Klaus Töpfer will der Einladung der IAEO Folge leisten.

Der Chef der bulgarischen Zivilverteidigung, Michail Jowtschew, versuchte unterdessen, die Gefährdung herunterzuspielen. Nach Bekanntwerden der Mängel vor allem im Notfallsystem erklärte der Politiker, das Strahlungsniveau rund um die Anlage sei „normal“. ten