El Salvador: Mit Betrug zur Mehrheit?

Oppositionsführer sprechen von Wahlmanipulation  ■ Aus San Salvador R. Leonhard

Vor einem Dutzend auf der Straße aufgelesenen Stimmzetteln klagte Ruben Zamora, der Vorsitzende der Linksallianz „Demokratische Konvergenz“, am Dienstag die Regierung El Salvadors des Wahlbetrugs an. Auch die marxistische UDN beschuldigte den von der rechtsextremen ARENA kontrollierten Wahlrat der groben Manipulation. Die ersten Teilergebnisse, die der Zentrale Wahlrat Montag abend veröffentlichte, stehen in offenem Widerspruch zu den Hochrechnungen der Parteien und unabhängigen Medien. Zamora forderte daher die „Überprüfung der Ergebnisse Urne für Urne und Stimme für Stimme“. Eduardo Calles von der UDN stellte das Wahlsystem an sich in Frage, da es eine breite Beteiligung der Bevölkerung verhindere. Die Oppositionsführer sind der Meinung, daß im Vorfeld der Wahlen bereits manipuliert worden sei: durch Verzögerung der Öffnung von Wahllokalen in Bezirken, wo ein hoher Stimmenanteil für die Linke erwartet wurde, durch die Unvollständigkeit der Computerlisten, die vor allem potentielle Oppositionswähler betraf, und durch die Vernichtung von Stimmen für die Convergencia. Ruben Zamora präsentierte fünf Dutzend Stimmzettel für seine Allianz, die im Arbeiterviertel Soyapango auf der Straße gefunden wurden.

Die zweite Art von Betrug habe bei der Stimmenzählung stattgefunden, beklagten die Oppositionsführer. Es sei auffällig, daß an Wahltischen, an denen die Opposition keine Vertreter hatte, die Zahl der ungültigen Stimmen und die der Kleinparteien PCN und MAC ungewöhnlich hoch sei. PCN und MAC sind Satellitenparteien der regierenden ARENA. Die PCN war während des Militärregimes „offizielle Partei“ und hat eine lange Gesichte des Wahlbetrugs hinter sich. Nach den ersten offiziellen Teilergebnissen des Zentralen Wahlrates liegt die PCN sogar landesweit vor der Demokratischen Konvergenz an dritter Stelle. Die Reihenfolge ist insofern besonders bedeutsam, als der Wahlrat sich aus Vertretern der drei jeweils stärksten Parteien zusammensetzt. Es geht also um die Möglichkeit der Linksopposition, an der Vorbereitung der Wahlen 1994 mitwirken zu können.

Die Demokratische Konvergenz und die UDN wollen die endgültige Auszählung abwarten, bevor sie das Ergebnis anfechten. Laut Informanten, die Zugang zu den im Wahlrat verarbeiteten Daten haben, dürfte ARENA mit maximal 41 von 84 Sitzen die absolute Mehrheit im Parlament denoch verfehlen. Die PDC kann laut dieser Quelle mit 29 Abgeordneten rechnen, die Convergencia mit mindestens sechs, die PCN mit fünf und die UDN mit einem.

Die Guerillafront FMLN begann unterdessen, wie angekündigt, die von der Armee zeitweise eingenommenen Gebiete in der Konfliktzone zurückzuerobern. Aus den meisten dieser Gebiete hatten sich die Streitkräfte bereits am Wahltag wieder zurückgezogen.