Deutsche Rechte — einig gegen die USA den Krieg

Nationalrevolutionäre, REPs, DVU und „Deutsche Allianz“ auf Antikriegspfad/ Rechte fühlen sich durch Bodenoffensive bestätigt/ Nicht Pazifismus, sondern Rassimus unter dem Banner des „Ethnopluralismus“ bestärkt sie in Ablehnung des Krieges  ■ Von Bernd Siegler

Nürnberg (taz) — „Wir vertreten keinen Hurra-Patriotismus, das ist eine gewaltige Qualitätsveränderung bei der Rechten.“ Harald Neubauer, ehemaliger bayerischer Landesvorsitzender der „Republikaner“ und jetzt geistiger Kopf der „Deutschen Allianz — Vereinigte Rechte“, sieht mit der Bodenoffensive der alliierten Truppen gegen den Irak seine Auffassung bestätigt, daß die „Amerikaner den islamischen Faktor ausschalten wollen“ und „deutsche Soldaten am Golf nichts zu suchen“ hätten. Ob „Republikaner“ oder „Deutsche Allianz“ (DA), ob „Deutsche Volksunion“ (DVU) oder die sogenannten Nationalrevolutionäre — mit der weiteren Eskalation des Golf-Krieges gewannen die antiamerikanischen, antizionistischen und antisemitischen Töne in den rechtsradikalen Publikationen an Schärfe. Die Rechte sieht sich als Speerspitze der wahren Kriegsgegner. Der „Nationalrevolutionär“ Marcus Bauer fordert in dem Hochglanzmagazin 'Europa vorn‘ gar die deutschen Wehrpflichtigen auf, sich vor dem „Dienst in der deutschen Nato-Sektion zu drücken“ und im Falle eines militärischen Konflikts „bei der erstbesten Gelegenheit zu desertieren“.

Schon kurz nach der Annexion Kuwaits durch den Irak hatten sich nahezu alle deutschen rechtsradikalen Publikationen zu Wort gemeldet (s. Taz v. 21.1.) und zogen gegen den „Völkermord der USA am Golf“ ('Deutsche National-Zeitung‘) zu Felde. Jetzt sieht Harald Neubauer einen „gemeinsamen Nenner zwischen amerikaorientierten Bürgerlichen und Linken“, die vom Pazifismus abrückten und für den Krieg plädierten. Die „französische und deutsche Rechte“ sei dagegen konsequent gegen diesen Krieg, betont Neubauer und verweist auf den als Araberfresser verschrieenen Chef der Nationalen Front Jean-Marie Le Pen. Dieser sei Kriegsgegner, obwohl französische Truppen an vorderster Front kämpften.

Mit Pazifismus haben die Rechten jedoch wenig im Sinn, zumal sie im gleichen Atemzug soldatische Tugenden predigen. So bezeichnet die 'National-Zeitung‘ die deutschen Soldaten zu Rommels Zeiten in der arabischen Wüste als „prachtvoll“. Neubauer spricht gar von der „beispiellosen Feigheit der Amerikaner“. 33 Staaten würden einen Krieg gegen ein „Schwellenland“ führen. Die Amerikaner wären nicht einmal im Stande, einen Blitzkrieg zu führen und gäben ein „Jammerbild“ ab, da sie „Angst vor einer direkten Konfrontation auf dem Schlachtfeld“ hätten. Die Motive von Neubauer und seinen Gesinnungsgenossen sind eher im sogenannten Ethnopluralismus zu finden — einem ideologischen Grundpfeiler der „neuen Rechten“. Aus dem biologischen Prinzip der Ungleichheit wird darin ein „Recht auf Verschiedenheit“ abgeleitet. Sie plädieren für ein Nebeneinander der Völker in getrennter Entwicklung und eine völkische Neuordnung der Welt. So unterstützen sie Befreiungsbewegungen wie PLO, IRA und ETA sowie den „Befreiungskampf des Iraks gegen die USA“. Konsequent wird der Golfkonflikt als „innerarabische Angelegenheit“ bezeichnet, aus der sich sogenannten „raumfremde Mächte“ herauszuhalten haben. So betont Manfred Rouhs in der neuesten Ausgabe von 'Europa vorn‘, daß „der im Irak lebende Teil des arabischen Volkes nicht Stiefelputzer einer raumfremden Macht werden“ wolle. Neubauer sekundiert, daß „jedes regionale Großgefüge nach eigenen Gesetzen leben“ müsse. „Die Araber sollen in Arabien selig werden, die Europäer in Europa und die Deutschen in Deutschland“.

Statt „Türken raus“ jetzt „Türken an die Front“

Diese moderne Variante eines offenen Rassismus bringt Neubauers Parteifreund, der Münchener Stadtrat Peter Recknagel, in der Februar- Ausgabe der DA-Parteizeitung 'Deutsche Rundschau‘ in Zusammenhang mit alten „Ausländer- raus“-Parolen: „Die Türken sollen, wenn sie Verstärkung brauchen, ihre Landsleute aus Deutschland zurückrufen, damit sie ihre Heimat verteidigen können.“ Auch Neubauers ehemaliger Arbeitgeber, der DVU-Chef Gerhard Frey, wehrt sich in seiner 'National-Zeitung‘, daß „Deutsche als Kanonenfutter“ die Türkei gegen Saddam Hussein verteidigen sollten, „während sich in der Bundesrepublik Hunderttausende wehrfähige junge Türken aufhalten“. Weder die „sogenannte Solidarität des Westens noch der Staat Israel, noch die großosmanischen Träume Ankaras und auch nicht der Wüstenfleck Kuwait sind es wert, daß einem einzigen deutschen Soldaten auch nur ein Haar gekrümmt wird“, betont Bruno Wetzel, Pressesprecher des Hauses Frey. „Einige primitive Scud-Raketen sowjetischer Bauart aus technischen Urzeiten“ seien kein Grund, „in heuchlerischem Mitleid über die Qualen der israelischen Bevölkerung zu zerfließen“.

Kein anderes rechtsradikales Presseorgan argumentiert so unverhohlen antiisraelisch wie die Frey- Presse. Dort ist vom „gutmütigen, freundlichen Gesicht Husseins“ und dessen „reizender Familie“ die Rede. Israel wird „als ständiger, nur schwer unter Kontrolle zu bringender Unruheherd“ bezeichnet. Premier Schamir könne auf eine „kriminelle Vergangenheit zurückblicken, hinter der sich manche RAF-Terroristen verstecken können“. Bruno Wetzel hält alle Vorwürfe deutscher Giftgaslieferungen an den Irak für „unbewiesen“ und ist sich mit dem REP-Generalsekretär und Stuttgarter Stadtrat Horst Trageiser sowie Harald Neubauer darin einig, auf keinen Fall Patriot-Raketen nach Israel zu liefern. Deutschland dürfe sich nicht in die Rolle des „Weltbösewichts hineindrängen“ lassen, fordert Trageiser und plädiert für ein „endlich ganz normales“ Verhältnis zu Israel.

Wenn die Rechtsradikalen vom Irak reden, meinen sie immer Deutschland und Europa. So wird der Golfkrieg für den Versuch benutzt, die deutsche Vergangenheit und Gegenwart reinzuwaschen. Die 'Nationalzeitung‘ enthüllt die „wahren Giftgaslieferanten“ und stellt im gleichen Atemzug die Frage nach der Kriegsschuld der USA im 2. Weltkrieg. Mit der Gleichsetzung der Bombardements von Bagdad und Dresden versucht sie den Irak und Deutschland als Opfer der Supermächte darzustellen. „Hamburg 1943 — Hiroshima 1945 — Vietnam 1970 — Bagdad 1991 — wie sich die Verantwortlichen des Terrorbombardements gleichen“, heißt es in der jüngsten Ausgabe der 'National-Zeitung‘, „Kriegsgefangene in US-Lagern: Deutsche waren, Iraker sind Opfer“ in der Ausgabe zuvor. Die NPD-Fraktion im Frankfurter Römer nutzt ihren Antrag auf Städtepartnerschaft mit Bagdad, die Forderung nach Abzug der US-Truppen aus Deutschland zu stellen.

Die Rechten sind sich einig, daß der Feind der Deutschen und Europäer der „Amerikaner“ sei. Deutsche Soldaten sollten nicht für den „American way of life“ am Golf verheizt werden, fordert REP-Chef Schönhuber. Auf dem REP-Bundesparteitag in Augsburg am 3. Februar plädierte er für das „Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser, der Kurden, der Tiroler und der Schlesier“. Anders als seine rechtsradikalen Kollegen spricht sich Schönhuber aber auch explizit für das Lebensrecht Israels aus. Auch der rechtsintellektuellen Zeitschrift 'Junge Freiheit‘ fällt bei Kuwait gleich Schlesien ein. In der Februar-Ausgabe sieht diese „deutsche Zeitung für Politik und Kultur“ den Golfkrieg als „ersten Verteilungskampf zwischen Nord und Süd“ und läßt den führenden Kopf der französischen Neuen Rechten in einem auch zuvor in der taz veröffentlichten Debattenbeitrag für die „Schaffung großer selbstbezogener Weltregionen und freier Völker“ gegen eine „neue amerikazentrierte Weltordnung“ zu Wort kommen. „Irgendwann fegt der arabische Nationalismus die Handvoll dekadenter Herrscher weg, die heute im Dienst der USA und Israels der arabischen Einheit im Wege steht“, hofft Manfred Rouhs in 'Europa vorn' auf den „revolutionären Nationalismus“. Der „Weg zur Völkerfreiheit“ führe nur über die „Niederlage Amerikas“. Da findet es REP- Generalsekretär Trageiser besonders tragisch, daß gerade in diesem Konflikt „Europa versagt“ und den Gorbatschow-Plan nicht gegen die USA unterstützt hätte.

Der „Nationalrevolutionär“ Marcus Bauer will die Gunst der Stunde nutzen und appelliert in der „Europa vorn“ an die Antikriegsbewegung, die Frage der nationalen Identität und Souveränität zu stellen. Wie schon zu Zeiten der deutschen Teilung bestehe auch jetzt ein „objektiver Zusammenhang zwischen der Sicherung des Friedens und der Wahrnehmung deutscher Belange“. „Es wäre nicht schlecht, würden jene, welche derzeit landauf, landab für den Frieden marschieren, dies einsehen.“ Die Coburger 'Nation + Europa‘ kann sich dem vorbehaltlos anschließen: „Jetzt stellt sich die Frage: Sind wir souverän oder Provinz der USA? Lassen wir uns weiter mit unserer Vergangenheit erpressen? Dann wären wir wirklich feige Schweine.“