Kampfgemeinschaft gegen Kleinstdeutschland

Der „Bundesverband der Vertriebenen“ setzt mit massiver Geldhilfe der BRD auf die schleichende Revision der Oder-Neiße-Grenze  ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler

„Deutschland muß Flagge zeigen“, tönt der schwergewichtige Pressesprecher des „Bundes der Vertriebenen“ (BdV), Horst Egon Rehnert im organisationseigenen „Deutschen Ostdienst“. Härter solle die Bundesregierung mit Warschau verhandeln, fordert der Berufsvertriebene, Deutschland müsse endlich die „Position des politischen Zwerges“ aufgeben. Bei den angesprochenen Verhandlungen geht es nicht nur um die Stellung der deutschen Minderheit in Polen. Der 2,2 Millionen Mitglieder starke Bund der Vertriebenen will sich mit dem „Grenzdiktat“ — so die Bezeichnung des Abkommens zwischen Polen und Deutschland über die Endgültigkeit der Oder-Neiße- Grenze — keinesfalls abfinden.

Die BdV-Funktionäre träumen von einer Ausgliederung Schlesiens, Ostbrandenburgs, Pommerns und Westpreußens aus dem polnischen Staatsverband. Doch Polen, klagt BdV-Generalsekretär Koschyk, hänge „völlig veralteten Souveränitätsvorstellungen“ an. Dem Land fehle einfach „eine gewiße Reife für das neue Europa“. Um das Reifezeugnis im Sinne der deutschen Interessen auszugestalten, will der BdV den Trumpf der wirtschaftlichen Macht Deutschlands ausspielen. „Die nationale Unruhe bei uns und das Chaos in der Heimat würden entsprechende Lösungen notwendig machen“, frohlockt BdV-Präsident Czaja. Dazu dürfe es aber keine „Hilfe zum Nulltarif“ geben. Polens Weg nach Europa führt über Deutschland, betont Koschyk. Der Bund der Vertriebenen sorgt tatkräftig dafür, daß dabei an ihm kein Weg vorbeigeht. So hatte er im Wahlkampf unermüdlich die Werbetrommel für die Unionsparteien gerührt.

Kanzler Kohl revanchierte sich und plädierte mehrfach für eine „engere Einbeziehung der deutschen Vertriebenen in die Hilfe und Zusammenarbeit mit den organisierten deutschen Minderheiten im Osten“. Insbesondere die CSU bedankte sich mit der Absicherung von BdV- Funktionären auf sicheren Listenplätzen. So ziehen neben Koschyk, den BdV-Vizepräsidenten Roßmanith und Sauer auch der bayerische Landesvorsitzende Wittmann, der Präsident der Schlesischen Landsmannschaft Lowack sowie zwei BdV-Funktionäre aus den neuen Bundesländern in den Bundestag ein.

In den sogenannten „Ostgebieten“ versucht der BdV erfolgreich, sich bei den „Deutschen Freundschaftskreisen“ (DFK) unentbehrlich zu machen, die in Polen wie Pilze aus dem Boden schießen. Hauptagitationsfeld ist dabei die Wojewodschaft Opole (Oppeln). Dort lebt nahezu die Hälfte der insgesamt auf 800.000 geschätzten Deutschstämmigen in Polen. Dort stellt die deutsche Minderheit auch in 25 Gemeinden nach den Kommunalwahlen im Mai die Mehrheit. Bereits zehnmal tourte BdV-Generalissimus Koschyk durch die Region, im Kofferraum die 'Schlesischen Nachrichten‘ und Ausstattungsgegenstände für die DFK-Büros. Fernsehgeräte, Satellitenantennen, Kopiergeräte, Schreibmaschinen und Deutschlandfahnen zählten dazu. Daneben stand die Ausstattung von Lesestuben mit ausrangierten Büchern aus deutschen Bibliotheken auf dem Programm, die Organisierung von Massenveranstaltungen, die Errichtung eines Organisationsbüros für Kulturvermittlung in Strzelce Opolskie (Groß- Strehlitz).

„Das geschah alles mit Mitteln des Bundeshaushalts“, bekräftigt Pressesprecher Rehnert, der BdV sei nur „treuhänderisch“ tätig. Seine federführende Stellung im Verhältnis zu den deutschen Minderheiten läßt sich der BdV fremdfinanzieren. Das seit 1. Januar in Strzelce Opole geöffnete „Wirtschaftsförderungsbüro des BdV“ wird allein von der Bundesregierung mit Geldmitteln ausgestattet, die Eichendorff-Begegnungsstätte in Lubowitz finanziert der Freistaat Bayern.

Die Hanns-Seidel-Stiftung, der CSU nahestehend, schult die bei den Gemeindewahlen erfolgreichen Mitglieder der DFK in Sachen Kommunalpolitik. Vom 2. bis 9. Dezember veranstaltete der „Hessische Bauernverband“ zusammen mit dem BdV ein Seminar für führende Angehörige des mittlerweile bereits 10.000 Mitglieder zählenden „Deutschen Bauernverbandes“ in Polen. Gemeinsam mit dem deutschen Generalkonsulat in Wroclaw (Breslau), das seit dem 3. Okotober 1990 besteht, arbeitet der BdV eng zusammen. Denn, so Vertriebenen-Funktionär Koschyk, dieser Dienststelle komme eine „Schlüsselfunktion in der ganzen Region“ zu.

Aus seiner Arbeit leitet der BdV einen Monopolanspruch ab. „Wir lassen uns von niemanden verdrängen“, betont Koschyk und giftet gegen die staatliche Förderung des seiner Meinung nach linkswärts driftenden „Vereins der Auslandsdeutschen“ (VDA) und sogar gegen die Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung in Polen. Schließlich geht es um viel Geld. Allein 2,8 Millionen D-Mark streicht der Bund der Vertriebenen an institutioneller Förderung aus dem Bundeshaushalt ein. 1986 waren es erst 800.000 D-Mark. Hinzu kommen Fördermittel aus den Länderhaushalten. Hier tut sich insbesondere Bayern hervor, denn der Freistaat versteht sich als Pate für Ostpreußen und als Schirmherr der Sudetendeutschen Landsmannschaft. So fließen insgesamt 862.000 D-Mark aus dem Freistaat an die Vertriebenenorganisationen, dazu kommen 1,9 Millionen D-Mark für die Verbände für die Aussiedlerbetreuung und 900.000 D-Mark für die Kulturförderung. Zusätzlich finanziert Bayern künftig die Deutschlandtreffen der schlesischen Landsmannschaft. Insgesamt gibt der Bund in diesem Jahr etwa 30 Millionen D-Mark für die deutsche Kulturarbeit im Osten aus. Der Löwenanteil fließt über die Vertriebenenorganisationen.

Auf dieser finanziellen und organisatorischen Basis will der BdV „alle zuläßigen Maßnahmen gegen Kleinstdeutschland“ (Czaja) ergreifen. Die „zielstrebige Kampfgemeinschaft“ (Czaja) hat es bereits geschafft, in Oberschlesien die Autonomiediskussion in Gang zu setzen und zu halten. Auf dem zweiten Hauptagitationsfeld widmet sich der BdV den Entschädigungszahlungen für Vertriebene. Bislang hatte der Verband die Deutschen in der CSFR schon nahezu abgeschrieben, handele es sich doch um „eine Volksgruppe kurz vor dem Erlöschen“. Doch besonders nach den entschuldigenden Worten tschechischer Bischöfe und des Präsidenten Vaclav Havel zur Vertreibung schöpft man im BdV neue Hoffnung. Als Satzungsziel führt der Verband „die Wiederfindung und Entfaltung der nationalen Identität“ auf.

Enge Kontakte zu der vom Freistaat Bayern gesponserten und im BdV organisierten „Sudetendeutschen Landsmannschaft“ (SL) bestehen bereits. Die Landsmannschaft, die der „von Kommunisten und Nationalisten angerichteten Kulturschande in den Sudetengebieten ein Ende bereiten“ will, gibt sich jedoch mit Worten nicht mehr zufrieden. Sie will Taten sehen in Form von Entschädigungen.

Ansonsten, so droht unverhohlen BdV-Funktionärin Cornelia Wittek, sei die „Rückkehr der CSFR nach Europa“ gefährdet“. Im Gespräch mit dem CSFR-Ministerpräsidenten Marian Calfa wies der Sprecher der sudetendeutschen Volksgruppe und bayerische Exminister Franz Neubauer am 1. Dezember im Falle der Nichtgewährung einer Entschädigung darauf hin, daß davon „namhafte Unternehmer“ in Deutschland wenig begeistert sein würden. Den daraufhin „erzürnten“ Calfa wollte Neubauer partout nicht verstehen.