KOMMENTAR
: Strukturelle Vorteile

■ Wem nützen die FDP-Niedrigsteuerpläne für die neuen Bundesländer?

Der Wahlkampf ist überstanden, und folglich gibt es keinen Anlaß mehr für den notorischen Optimismus der alten Bundesregierung. Wann nun der wirtschaftliche Aufschwung in den neuen Ländern tatsächlich beginnen wird, ist nach wie vor offen. Sicher ist nur — und darin sind sich alle Forschungsinstitute einig —, daß es im kommende Frühjahr noch abwärts gehen wird. Als allerfrühester Termin für eine ökonomische Wende in der Ex-DDR wird derzeit der Sommer gehandelt.

Das Vorhaben der FDP, gleich das ganze Beitrittsgebiet zur Sondersteuerzone zu machen, folgt zunächst einem einfachen liberalen Rezept: Je weniger Staat, umso mehr Konjunktur. Die bisherigen Mittel, um die Investitionstätigkeit im Osten anzukurbeln, haben viel zu wenig gewirkt. Für nennenswerte Impulse sorgten weder die Investitionszulage oder die Steuerbegünstigung für Rücklagen noch die Vorteile bei der Umsatzsteuer. Im Gegenteil, das Flaggschiff „Investitionszulage“ hat eher für Mitnahmeeffekte gesorgt. So darf sich der Volkswagenkonzern für sein drei Milliarden Mark schweres, ohnehin geplantes Engagement in Zwickau nun eine Milliarde in Bonn abholen.

Doch ungerechtfertigt wäre der Vorwurf an die FDP, sie wolle jetzt einfach draufsatteln. Schließlich unterscheidet sich ihr Vorschlag in zwei Punkten wesentlich von den bisher beschlossenen Maßnahmen. Zum einen kommen die derzeit gültigen Fördermittel fast ausschließlich den kapitalkräftigen West-Konzernen zugute, die dafür sorgen, daß der übergroße Anteil ihrer Aufwendungen nicht als Kaufpreis, sondern als Investition erscheint. Der FDP-Vorschlag hingegen gilt flächendeckend für alle Firmen in den neuen Ländern, unabhängig davon, ob sie einen West-Einsteiger haben oder einstweilen lieber selbständig bleiben wollen.

Zum zweiten verhindert das FDP-Konzept, daß die arbeitsplatzintensiven Produktionsbetriebe gegenüber den investitionsintensiven Dienstleistungsbetrieben benachteiligt werden. Denn die Gewerbekapitalsteuer, auf deren Erhebung die FDP gleich ganz verzichten will, ist unabhängig von der Ertragslage eines Unternehmens; besteuert werden vielmehr das Anlagekapital und der Grundbesitz. Während wegen der durchgehenden Überalterung der Maschinen und Einrichtungen in der Ex-DDR das Anlagekapital bei der Besteuerung keine sonderliche Bedeutung hat, ist es mit Grund und Boden ganz anders. Nun verfügen Dienstleistungsbetriebe in der Regel über deutlich weniger Immobilien als die riesigen Produktionsbetriebe, die ohnehin wirtschaftlich noch viel gefährdeter sind. Und da kann der Wegfall dieser Steuer durchaus sinnvoll sein.

Und die Beschäftigten? Ihre Spitzenbelastung soll ebenfalls gesenkt werden, wenn der Vorschlag auch eine Gemeinheit enthält: während der Spitzensteuersatz der Unternehmen von 65 auf 40 Prozent fallen soll, sinken die Höchstsätze der Lohn- bzw. Einkommenstuer nur von knapp über 50 auf 40 Prozent. Angesichts der niedrigen Löhne in den fünf neuen Ländern ist die Höhe der Eingangssteuersätze allerdings viel bedeutsamer. Wenn die FDP in den Koalitionsverhandlungen nicht dafür sorgt, daß sie mindestens im gleichen Maße gesenkt werden wie die Höchststeuersätze, wird sie sich zu Recht einmal mehr dem Vorwurf ausgesetzt sehen, Vorteile nur für die Gutverdienenden herausholen zu wollen. Ansonsten verspricht das Niedrigsteuervorhaben zumindest mehr Erfolg als die anderen Maßnahmen, mit denen der Niedergang in Ostdeutschland aufgehalten werden soll.

Übrigens dürfte es den dortigen Beschäftigten egal sein, ob sie eine Lohnerhöhungen nun per Tarifverhandlungen oder über Steuersenkungen erhalten. Und das steuerliche Konjunkturprogranm gibt letzten Endes auch denen Recht, die sich vor einem halben Jahr für einen Umtauschkurs von 1:1 für Löhne und Gehälter ausgesprochen haben. Dietmar Bartz