Privates TV-Kulturprogramm soll aus Berlin kommen

■ »Kanal 4« hofft auf Sendefrequenz für Berlin-Brandenburg und will Arbeitsschwerpunkt an die Spree verlegen

Berlin. Der Kultursender »Kanal 4« will seinen Produktions- und Sendeschwerpunkt nach Berlin verlegen. Allerdings fehlt ihm noch eine Sendeerlaubnis des Berliner Kabelrates. Nach den Vorstellungen des Senders soll nämlich Anfang 1991 fünf Stunden pro Tag auf einer eigenen Frequenz in Berlin-Brandenburg gesendet werden. Schwerpunkt im Angebot des privaten Fernsehanbieters sind Kultursendungen, Dokumentar- und Experimentalfilme.

Im Mai 1988 wurde der Sender von Produzenten, Filmemachern und Kulturinitiativen in Köln gegründet. Kanal 4 konnte im letzten Jahr 35 Stunden über Frequenzen anderer Privatanbieter senden. Darunter waren Filme, die die öffentlich- rechtlichen Sender nicht zeigen wollten: Günter Wallraffs Ganz unten war genauso zu sehen wie eine Dokumentation über besetzte Häuser in Köln. In Berlin hat der Sender jetzt eine eigene Frequenz beantragt; wenn der Kabelrat den Sender genehmigt, könnte schon drei Monate später mit dem »im weitesten Sinne kulturellen Programm« begonnen werden, sagte Geschäftsführer Klaus Keuter am Wochenende. Die Kanal4-Macher sind zuversichtlich, daß ihnen die Sendeerlaubnis trotz zahlreicher Konkurrenten erteilt wird. Wenn man es ernst meine mit der Strukturpolitik in der ehemaligen DDR, dann müsse man auch neue Privatsender zulassen, so Keuter. Die Entscheidung wird für Ende '90 oder Anfang '91 erwartet.

Finanziert wird der Sender aus Werbegeldern und von Sponsoren. Im Gegensatz zu anderen Privatanbietern wird die Kanal 4-Redaktion von einem Programmbeirat unterstützt, den Vertreter gesellschaftlicher Gruppen, etwa des Verbandes deutscher Schriftsteller und des Berufsverbandes Bildender Künstler, stellen. Ziel des Senders sei, Experimente und Kreativität »gegen kommerzielle Einheitskost und Einfalt« zu setzen, so ein Prospekt. Ein Beispiel dafür ist in Berlin am 29.11. über SAT 1 zu sehen: um 23.50 Uhr wird die Kanal 4-Dokumentation »Mit Gott und die SPD — (DDR-) Pfarrer Steffen Reiche wird Berufspolitiker« ausgestrahlt. Rochus Görgen