Nur die Affen durften über die Stasi-Mauer

■ Stadtrat Krüger und Finanzsenator Meisner: Der Tierpark in Friedrichsfelde soll als selbständige Einrichtung weiter bestehen bleiben

Tierpark, Alfred-Brehm-Haus. Wahrlich ein außergewöhnliches Ambiente für eine Pressekonferenz: Links und rechts von den Herren Politikern tigern Raubkatzen in ihren Käfigen, hinter ihnen flattern riesige schwarz-gelbe Fledermäuse. Zeitweilig assistiert auch noch die Orang-Utan-Dame Annette, die Arme zärtlich um eine Pflegerin geschlungen, die Ausführungen. Und die hören sich durchaus erfreulich an: Von einer gerüchteweise geplanten Auflösung des Tierparks »kann keine Rede sein«, so Innenstadtrat Thomas Krüger (SPD). Der westliche Zoo und der östliche Tierpark mit seinem internationalen Ruf »können und sollen« nebeneinander existieren, pflichtet ihm Finanzsenator Norbert Meisner (SPD) bei, der nach preußischem Verwaltungsrecht als Staatskommissar für den Zoologischen Garten fungiert. Damit sind die Übernahmebestrebungen durch den Zoo wohl vom Tisch.

»Hier gibt es eigene Werte, eigene Geschichte, einen eigenen Charakter«, verteidigt Thomas Krüger mit Inbrunst »seinen« Tiergarten, den er schon als Kind und später als Student mit Büchern unterm Arm heimgesucht hat. Hier in der 160 Hektar großen Landschaftsanlage gab es Nischen, in die man vor realsozialistischer Tristesse flüchten konnte.

Jedenfalls dann, wenn man sich durch die direkt ans Gelände grenzende Stasi-Zentrale nicht stören ließ. »Ach, wissen Sie«, lächelt einer der Zoowissenschaftler, »wir haben immer gesagt, der Fuchs jagt nicht in der Nähe des Baus.« Bei Baubeginn aber »hat uns die Stasi 15 Hektar weggenommen«, erinnert sich der schon fast achtzigjährige Tierparkdirektor Heinrich Dathe, Professor mit unzähligen Titeln. »Meine Affen sind eines Tages über die Mauer, die durften ohne Ausweis rüber, meine Tierpfleger nicht.«

Der Direktor hat zeitweise Mühe, gegen das Gebrüll seiner Löwen anzureden. 7.500 Tiere in 900 Arten besitzt sein Zoo, davon »85 vom Aussterben bedrohte Arten«. In manchen Fällen, wie bei den Wildpferden, werden die Tiere zurückgezüchtet und in ihre Heimat reexportiert. Und bei der Greifvogelzucht seien sie gar Weltspitze, wobei den Wanderfalken der ehrenvolle Auftrag der Interflug zukommt, Flughäfen von Vögeln freizuhalten, die ins Motorengetriebe geraten könnten.

Ob der Tierpark jedoch alle seine 460 Mitarbeiter halten kann — »davon 45 Schwerbeschädigte, wir sind eine soziale Einrichtung« —, das steht noch in den Sternen. Bis Anfang nächsten Jahres soll er in eine GmbH umgewandelt werden, deren Mehrheitsanteil wie bei der Aktiengesellschaft des Zoos die Stadt Berlin halten soll. Für einen Etat von bisher rund 15 Millionen Mark reichen die Eintrittsgelder, lächerliche drei Mark, trotz über zwei Millionen Besuchern in diesem Jahr wahrscheinlich nicht aus. Demonstrativ geben Krüger und Meisner deswegen ihren Beitritt in die »Gemeinschaft der Förderer des Tierparks« bekannt.

Gut gebrüllt, Löwen. Allein schon für die Bewohner der umliegenden Betonwohnblöcke und ihre Kinder, die sich hier in den Arbeitsgruppen »Allgemeine Biologie« oder »Praktischer Naturschutz« des Jugendclubs treffen können, wäre der Niedergang dieses einladenden Parks eine Katastrophe. Zumal in den letzten Jahren mehrere neue Tierhäuser erbaut wurden: das Dickhäuterhaus oder das Glashaus, in dem man auf einer Art tropischer Hängebrücke über die aufgesperrten Mäuler von Krokodilen hinwegspazieren kann, während blauschimmernde Kolibris wie Pfeile durch die Luft sausen. Auch das im Gelände gelegene Barockschlößchen Friedrichsfelde wurde 1987 mit einem neuangelegten »Nordparterre« — Barockgarten mit Blick auf den Stasi- Beton — versehen. Kaum geschehen, stellte sich sogar königlicher Nachwuchs ein: eine »Prinzessin von Burundi« wurde geboren — in der Aquarienabteilung. Ute Scheub