Diskussion für Jugoslawen verboten

■ Streit zwischen Jugoslawischem Zentrum und Arbeiterwohlfahrt / AWO entscheidet an den Betroffenen vorbei / Nationalitätenkonflikte auch in Berlin

West-Berlin. Multikulturelle Begegnungsstätte oder ein Treffpunkt für einzelne nationale Gruppen - vor dieser Entscheidung steht jetzt das Jugoslawische Zentrum in der Großbeerenstraße. Kompliziert wird die Entscheidung durch die Verknüpfung von inhaltlichen und personellen Aspekten. Bisher war eindeutig Multikultur großgeschrieben: „Wir wollen das Jugoslawische Zentrum nicht als Getto, sondern als Stätte der Multikulturalität“, so deren bisheriger Leiter Vladimir Zivkovic. Doch sein Vertrag lief am 31. Mai aus.

In einer Podiumsdiskussion sollte die Konzeption des Zentrums diskutiert werden - doch das gefiel der Arbeiterwohlfahrt (AWO), die das Zentrum verwaltet, nicht. Der zuständige Referatsleiter Dr. Wolf-Dieter Mayer verbot kurzerhand die Diskussion. „Zu diesem Zeitpunkt hielten wir eine Diskussion nicht für sinnvoll“, so Mayer. Es handele sich lediglich um „personelle Querelen“ und nationalistische Anfeindungen innerhalb der Jugoslawen.

Unter dem bisherigen Leiter war das Zentrum zu einer Begegnungsstätte der verschiedensten Kulturen geworden. Im Gegensatz zu den sechs weiteren jugoslawischen Zentren in Berlin war das Zentrum in der Großbeerenstraße nicht auf eine einzelne jugoslawische Nationalität ausgerichtet. SerbInnen, AlbanerInnen, KroatInnen, TürkInnen und auch viele Deutsche arbeiteten zum Beispiel an gemeinsamen Theaterstücken, Buchvorlesungen und Kindergruppen. „Wie soll ich an Mitbürger mit anderen Kulturen herangeführt werden, wenn nicht durch solch ein Zentrum“, meinte eine deutsche Besucherin.

Jetzt ist das Zentrum ohne Leiter. In den nächsten Tagen soll zunächst ein kommissarischer Leiter eingesetzt werden. Ende dieses Jahres könnte, so Mayer, der erste Leiter des Zentrums, Milan Cobanov, den Posten wieder übernehmen. Doch das wollen die Mitarbeiter und langjährigen Besucher des Zentrums nicht: Cobanov „wollte nur Volksmusik“, habe „nur die Serben eingeladen und Albaner vergrault“. Die Veranstaltungsteilnehmer wollen aber nicht, daß sich die jugoslawischen Nationalitätenkonflikte in Berlin widerspiegeln. Gerade die Jugoslawen, die mit 33.000 Menschen zu den drei größten Ausländergruppen Berlins gehören, seien am stärksten integriert.

Das Verbot der Podiumsdiskussion verärgerte die rund 40 trotzdem gekommenen Besucher. Der Leiter und die beiden ABM -Angestellten ließen eine Erklärung verlesen. In einer Unterschriftenliste verurteilten die Besucher das Diskussionsverbot als „Maulkorb-Politik der AWO, die in beispielloser Weise Ausländer knebelt und bevormundet“.

Möglich wird die Bevormundung, da das Zentrum von der Ausländerbeauftragten des Senats finanziert und von der Arbeiterwohlfahrt stellvertretend verwaltet wird. Für die Verwaltung erhält die AWO 8,5 Prozent der Unterstützung als Provision. Die Teilnehmer wären lieber unabhängig von der AWO: „Wir brauchen die AWO nicht, aber die AWO braucht uns.“ Die Ausländerbeauftragte Barbara John meinte auf Anfrage der taz: „Ich finde die aufkommende Diskussion sehr fruchtbar, und die AWO sollte sich der Diskussion stellen.“ Auf jeden Fall will sie das Zentrum jenseits der Nationalitätenkonflikte erhalten. Auch eine Unabhängigkeit des Jugoslawischen Zentrums und eine direkte Verwaltungsaufsicht durch den Senat will sie nicht ausschließen.

Rochus Görgen