Die Front wird Minderheitenrechte schützen

Die Vertreter der ungarischen Minderheit in Rumänien scheuen davor zurück, eine Oppositionspartei zu werden  ■ I N T E R V I E W

Ge'za Szöcs ist Generalsekretär des „Demokratischen Bundes der Ungarn“ (Magyarok Demokrata Szövetse'g), der bei den Wahlen in Rumänien im Kreis Klausenburg (rum. Cluj, ung. Kolozsvar) kandiderte. Der Demokratische Bund der Ungarn wurde mit 41 Sitzen zweitstärkste Partei bei den Wahlen in Rumänien

TAZ: Der Demokratische Bund der Ungarn ist zur zweitstärksten Kraft in beiden Kammern des Parlaments geworden. Was wollen Sie denn eigentlich im Parlament machen, sind Sie denn überhaupt eine eigenständige politische Partei?

Szöcs: Im Demokratischen Bund der Ungarn sind in den Führungsgremien viele Intellektuelle, die sich schon während der Diktatur für die Belange der ungarischen Minderheit einsetzten. Unsere Ziele bestehen vor allem darin, die kulturellen Rechte, die wir schon einmal hatten, wiederzuerlangen. Deshalb sind wir auch gar keine politische Partei, jede politische Stellungnahme muß den Minderheiteninteressen untergeordnet sein. In der Ausarbeitung der neuen rumänischen Verfassung liegt eine der politischen Schwerpunkte unserer Arbeit im Parlament. Dabei möchten wir die Minderheitenrechte in der neuen Verfassung verankert sehen.

Die Front ist nach der Wahl übermächtig geworden und verfügt in beiden Kammern des Parlaments über eine Zwei -Drittel-Mehrheit. Ist es da nicht angebracht, sich mit der Opposition zusammenzuschließen?

Wir müssen alle Vorschläge und Entscheidungen dahingehend prüfen, ob sie für uns als Minderheit akzeptabel sind oder nicht. Vergessen Sie nicht, daß es sich heute um eine Übergangssituation handelt. Alle politischen Kräfte sind auf der Suche nach einer eigenen politischen Identität. Auch die Front. Das bedeutet, daß immer wieder neue Koalitionen gebildet werden können und auch, daß manche Gruppen sich von den großen Parteien abtrennen werden.

Die Front kann doch jetzt schalten und walten wie sie will mit ihrer Mehrheit...

Schon, aber sie kann nicht gegen die Grundinteressen der rumänischen Gesellschaft anregieren. Wenn die Front Rumänien tatsächlich an Europa annähern will, dann kann sie nicht gegen europäische Normen anrennen, vor allem wenn sich die Regierung Investitionen aus Westeuropa erhofft.

Auch die Front hat in ihren Zeitungen teilweise nationalistisch argumentiert. Wie steht es denn jetzt nach der Wahl mit dem Nationalitätenkonflikt, im März haben die Ereignisse in Siebenbürgen große Wellen geschlagen.

Gleich nach der Revolution war die Lage zwischen den Nationalitäten freidlich und freundlich. Niemand konnte sich große Spannungen vorstellen. Doch dann tauchten Kräfte auf, die Spannungen schürten und die auf die Destabilisierung des Landes zielten. Daß diese Kräfte vor allem in Ma'rosva'sa'rhely (rum. Tirgu Mures) erfolgreich waren, hängt auch damit zusammen, daß dort seit langem ethnische Konflikte schwelen. Stellen Sie sich vor, noch nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Ungarn mit 94 Prozent der Bevölkerung eindeutig in der Mehrheit. Noch Mitte der sechziger Jahre waren es 90 Prozent Ungarn, dann begann die Rumänisierungspolitik Ceausescus. Viele Rumänen kamen, um dieses Gebiet für Rumänien zu gewinnen und die ethnische Zusammensetzung zu verändern. Inzwischen stellen die Neubürger 50 Prozent der Bevölkerung. Und unter ihnen sind auch führende Vatra-Leute, so wie Zeno Opris, einer der Gründer der Vatra, der erst in den sechziger Jahren hierherkam. Er wurde nach den Auseinandersetzungen im März Generaldirektor des Bereiches medizinische Versorgung im Kreise Maros. Überhaupt, vor allem im medizinischen Bereich sind die führenden Vatra-Leute zu Hause. Und die unterhielten schon zur Ceausescu-Zeit mit der Nomenklatura und der Securitate enge Beziehungen. Auch wenn die Vatra in Siebenbürgen stark ist, die Wahl hat doch gezeigt, daß ihre Forderungen nicht von der überwiegenden Mehrheit der Rumänen geteilt werden. Was die Front betrifft, glaube ich nicht an eine nationalistisch ausgerichtete Politik. Ich glaube, die Front wird eine tolerante und konziliante Minderheitenpolitik machen und versuchen, die ethnischen Spannungen abzumildern. Das Hauptinteresse der Front liegt darin, das Land überhaupt wieder regierbar zu machen.

Interview: Stephan Müller (Cluj)