Übersiedler resignieren

■ Ein Seminar der Volkshochschule beschäftigte sich mit den Problemen von Aus- und Übersiedlern / Unzufriedenheit mit den Behörden / Sozialsenatorin zu Gast

Wedding. „Ick hab‘ 'nen sehr, sehr schlechten Tausch gemacht“, so eine Stimme auf der „Bilanz der Eingewöhnung“, die den Aussiedlerkurs in der VHS Wedding gestern abschloß. Knapp 30 ehemalige DDR-Bürger waren zu der Veranstaltung gekommen, um über ihre Erfahrungen im Westen zu berichten. Die Sozialsenatorin Ingrid Stahmer zeigte Volkesnähe und hörte sich die Probleme der zukünftigen Wähler bereitwillig an.

110 Quadratmeter Wohnraum hat er in der DDR aufgegeben. Seit einem halben Jahr lebt er nun in einem Übergangslager. Doch seit der Vereinigungsdiskussion denkt er daran, mit Westberliner Paß wieder in sein Haus zurückzukehren und im Westen zu arbeiten. Doch in dem Haus wohnen inzwischen andere. „Die wissen aber, daß sie da bald raus müssen“, sagt ein Teilnehmer.

Schwer zu überhören waren die Vorurteile gegenüber Ausländern: „Wir als Berliner finden keine Wohnung, bei den Ausländern klappt das.“ Doch da mußte Ingrid Stahmer widersprechen: „Ausländer haben's noch schwieriger.“ Wenig Verständnis fand bei den Ex-DDRlern die Zusammenfassung von DDR-Bürgern und deutschstämmigen Polen in den Übergangslagern. Und überhaupt „die Ostberliner würden gerne arbeiten, die Polen sagen: Na ja, dann leben wir von der Sozialhilfe.“

Ganz andere Ansichten hatte ein Mann, der über Ungarn geflohen war: Er könne „nicht verstehen, daß man immer nur kommt und fordert“. Doch damit setzte auch er sich gleich Anfeindungen aus: „Die über die Botschaften gekommen sind, wurden bevorzugt gegenüber denen, die offiziell gewartet haben.“ Insgesamt waren die Erfahrungen mit den Behörden schlecht: „Es ist nahezu eine Pflicht hier, gegen alles Widerspruch einzulegen“, so ein sichtlich resignierter Mann.

Angst haben die neuen Westberliner, daß die Übersiedlerhilfe abgeschafft wird. „Die Übersiedler, die jetzt in West-Berlin, aber noch nicht integriert sind, fallen durch.“ Stahmer verwies darauf, daß dies eine Entscheidung der Bundesregierung sei, und versprach eine Übergangsregelung.

Abschließend wurde darauf verwiesen, daß ein Stuttgarter Psychologe die Integration der Übersiedler als Übung für die „Wiedervereinigung“ bezeichnet hat. Hier werde im Kleinen geübt, was bald im Großen komme.

Rochus Görgen