Tanzsaal, Kino, Bunker

■ Wiedereröffneter Saalbau in Neukölln spiegelt die Geschichte des Bezirks wider / In Zukunft sind Mehrfachfunktionen als Theater, Ausstellungsraum und Cafe geplant

Neukölln. Für die tanzende und nichttanzende Öffentlichkeit ist der Saalbau Neukölln in der Karl-Marx-Straße 141 jetzt wieder zugänglich. 1968 wurde die traditionsreiche Kulturstätte wegen Baufälligkeit geschlossen. Erst 1987 begannen die Restaurationsarbeiten, die in diesen Tagen fertiggestellt wurden. Heute „spiegelt der Saalbau die Geschichte von Rixdorf und Neukölln wider“, sagte der Bezirksstadtrat Wolfgang Branoner auf der Pressekonferenz. Zukünftig soll das Gebäude mit seinen verschiedenen Sälen wieder als Theater, Ausstellungsraum und Cafe genutzt werden.

Als 1875 die Pferdeeisenbahn erstmalig von Berlin in die ehemaligen „Rixdorfer Bergstraße“ fuhr, stellte der Gastwirt Ludwig Niesigk den Bauantrag für die Errichtung der ersten Teile des „Saalbaues Neukölln“. „Das Bürgertum strebte aufwärts, es wollte sich emanzipieren. Tischgesellschaften und Salons wurden zu beliebten Treffpunkten“, so Branoner in der Schrift zur Wiedereröffnung des Saalbaues. Bald fanden dort auch Ausstellungen, Konzerte, Theatervorführungen und Konzerte statt.

1912 wurde Rixdorf in Neukölln umbenannt, und in den „Bürgersälen“ wurde ein Lichtspieltheater eingerichtet. Im Weltkrieg diente das Gebäude als Wehrmachtsdienststelle, und unter dem Großen Saal wurde ein Luftschutzbunker gebaut. Nach dem Krieg „konnten die Neuköllner im 'Exelsior'-Kino des Saalbaues dem grauen Nachkriegsalltag entfliehen“, so Branoner.

Aufgrund der Schäden an der Dachkonstruktion mußte der Saalbau jedoch 1968 geschlossen werden. Beinahe wäre das Gebäude damals abgerissen worden: „Zur damaligen Zeit war Restauration nicht die Devise: Zu den beliebtesten Werkzeugen gehörte die Abrißbirne“, erklärte die Kultursenatorin Dr. Anke Martiny. Seit 1968 stand der Hauptsaal leer. Doch im Frühjahr 1987 hatte das Neuköllner Bezirksamt die Unterstützung von Bund und Land zusammen, um mit der Restauration des Gebäudes zu beginnen. Soweit es noch möglich war, wurde das denkmalgeschützte Gebäude im Stil von 1899 rekonstruiert. Zukünftig soll es wieder Theatervorführungen und Ausstellungen anbieten. „Neukölln erlangt seine kulturelle Identität wieder“, sagte Branoner gestern. Am nächsten Dienstag soll die Einweihung vor geladenen Gästen stattfinden.

Problematisch ist zur Zeit noch die personelle Ausstattung des Saalbaues. Denn dafür haben Bezirk und Senat kaum noch Geld. Und da zum Beispiel bei Theatervorführungen gesetzlich immer die Anwesenheit eines Bühnenmeisters vorgeschrieben ist, könnten möglicherweise einige Veranstaltungen deshalb platzen.

Rochus Görgen