Kohl von Pohl

DDR-Wirtschaftsminister: Ex-Blockflötenspieler der CDU  ■  Mit dem ARBEITSUNWILLIGEN auf du und du

Berlin (taz) - Noch ist er nicht zum DDR-Wirtschaftsminister gekürt, und schon hat er mit dräuenden Wortgewittern die Rhetorikkünste unseres Kanzlers Kohl übertroffen. „Wer die Einheit der Deutschen will und recht bald ein einiges deutsches Vaterland und eine einige deutsche Republik“, so predigte der 52jährige Christdemokrat Gerhard Pohl am Rande einer Fraktionssitzung, „der muß auf bestimmte Situationen hier in der DDR jetzt auch entsprechend reagieren und sie auch im Blick haben.“ Mit diesen präzisen Worten begründete Pohl, warum DDR-Sparguthaben seiner „persönlichen“ Meinung nach bis zu einer Höhe von 30.000 Mark im Verhältnis 1:1 umgetauscht werden müßten. Alles, was darunter läge, sei „einem DDR-Bürger nicht zumutbar“. Da gab's sogleich Streit mit seinem künftigen Kollegen: Der designierte Finanzminister Walter Romberg (SPD) entsetzte sich ob der damit verbundenen „Inflationsgefahren“.

Gerhard Pohls Biografie gibt einigen Anlaß zu der Vermutung, daß er die Rolle des braven Sohnes nie verlassen hat - und dazu gehört eine hervorragende Anpassungsfähigkeit an die jeweiligen Gegebenheiten. Als Sohn eines Webmeisters, geboren am 16. August 1937 in Guben, absolvierte er ganz in den Fußstapfen des Vaters zuerst eine Lehre als Tuchmacher und studierte dann an der Ingenieurschule in Forst/Lausitz Textiltechnik. Es folgte eine Zeit als Betriebsassistent im VEB Vereinigte Tuchwerke Forst, ein Fernstudium an der TU Dresden mit Promotionsabschluß im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften und, 1977, die Ernennung zum Forschungsdirektor im VEB Forster Tuchfabriken. Bereits auf seiner allerersten Pressekonferenz gab der brave Sohn seine hemmungslose Liebe zu Herrn Papa der Öffentlichkeit preis: „Mein Vater war ein selbständiger Unternehmer, und ein bißchen was habe ich daher im Blut.“ Sprach's und lächelte so eitel und beglückt über seine Benennung in die Kamera, daß „Tagesschau„-Gucker wie unsereins irritiert zurückprallten.

Auch politisch wußte Gerhard Pohl immer, was sich gehörte. Bereits 1959 trat er in die CDU ein, seit 1981 spielte er „Blockflöte“ in der CDU-Volkskammerfraktion und war dort auch als parlamentarischer Geschäftsführer tätig. Seine unauffällige und stromlinienförmige Karriere wurde durch die Auszeichnung „Verdienter Aktivist“ gekrönt, die ihm noch die alte SED-Führung verlieh.

Einen Knick verlieh ihm dann aber doch seine fristlose Entlassung vor rund drei Wochen - wegen „Arbeitsunwilligkeit“, wie 'Bild‘ meldete. Pohl gibt die Schuld daran den „alten Machtstrukturen“ in der DDR während des Wahlkampfs habe er nunmal nicht ständig anwesend sein können.

Ute Scheub