Ganze Wohnviertel werden nicht verkauft

■ OB Hartenhauer dementiert, daß der Magistrat große Teile des kommunalen Wohnungsbestandes in Ost-Berlin verkaufen will / Leitende Mitarbeiter der kommunalen Wohnungsverwaltung hätten auf eigene Faust verhandelt / 25.000 Wohnungen stehen zur Zeit leer

Der Ostberliner Magistrat hat nicht die Absicht, Wohnviertel der Stadt zu verkaufen. Es gebe auch keine Pläne, den Status der Kommunalen Wohnungsverwaltungen (KWV) zu verändern. Der Magistrat sei bestrebt, sich an geltende Rechtsvorschriften zu halten und die soziale Sicherheit aller Bürger zu bewahren, erklärte der Ostberliner Oberbürgermeister Christian Hartenhauer in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview gegenüber dem 'Neuen Deutschland‘. Gleichzeitig gestand er jedoch den schmerzhaften Mangel von geltenden Rechtsvorschriften ein, die der gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung trügen. Angestellte der staatlichen Kommunalen Wohnungsverwaltung, die für die 375.000 volkseigenen Wohnungen in Ost-Berlin zuständig sind und deren Mieter, wurden in letzter Zeit zunehmend von den abenteuerlichsten Gerüchten in Unruhe versetzt. In dem Interview nannte Hartenhauer den Vorwurf „absurd“, er wolle das neue Nikolaiviertel und die Neubauten an der Otto -Grotewohl-Straße „verhökern“. Da leitende Mitarbeiter der KWV jedoch offensichtlich versucht hätten, mit ausländischen Kapitalgesellschaften Gespräche zu führen, ohne „demokratische Legitimation“ und ohne die „Solidität der Partner“ geprüft zu haben, wären Gerüchte genährt worden, Wohnviertel könnten verkauft werden. Er habe volles Verständnis für die daraus entstehenden Ängste, sagte Hartenhauer. Ob diese Antwort die Betroffenen von ihrer zunehmenden Verunsicherung um ihre zukünftigen Wohnverhältnisse beruhigt, dürfte mehr als zweifelhaft sein. Die kürzlich bekanntgewordenen Unregelmäßigkeiten bei der Auflösung von Stasi-Besitz schafft wenig Vertrauen und läßt die 94.000 Wohnungssuchenden in Ost-Berlin schlechte Zeiten erwarten. In Ost-Berlin gibt es 632.000 Wohnungen, von denen, außer den volkseigenen und von der KWV verwalteten, 150.000 Privatbesitz sind und 106.000 Genossenschaften gehören. Von diesem Bestand stehen jedoch insgesamt 25.000 Wohnungen leer. Nur 1.600 davon könnten sofort, 3.900 nach kleineren Schönheitsreparaturen vermietet werden. 16.000 leerstehende Wohnungen weisen bauliche Mängel auf, die aufgrund des Abzugs vieler Baubrigaden in die DDR-Provinz in absehbarer Zeit nicht behoben werden könnten. Weitere 3.000 Wohnungen sind nach Aussage des Magistrats nicht mehr zu retten. Die verzweifelte Lage bewegte die KWV jetzt auf Bürgerselbsthilfe zu setzen (die taz berichtete). Einzelmieter und Wohngemeinschaften sollen nach einem Magistratsbeschluß künftig Wohnungen selbst sanieren dürfen. Die Verwaltung bietet dazu zeitweiligen Mietverzicht, Materialhilfen und spätere Mietminderungen an.

PM/dpa