In Rostock hat's genug geSCHLEIFFT

■ Oberbürgermeister Henning Schleiff ist zurückgetreten / Nachfolger wird Christoph Kleemann, Forumsvertreter am Runden Tisch

Sie klebten bis zuletzt, Rostocks Stadtschulrat Gustav Bendlin und sein Oberbürgermeister Henning Schleiff. Dem ersten hatte der Runde Tisch fortwährende und verschleierte Einstellung von unqualifizierten Stasi- und Bezirksparteikadern als Lehrer vorgeworfen, letzterem, das schlitzohrig gedeckt zu haben. Dann endlich, Montag um 14.45, ließ der OB seinen Stellvertreter Henning Naumann dem Runden Tische seinen Rücktritt mitteilen. Die demokratische Tafelrunde reagierte schnell und bestellte Christoph Kleemann, Pastor und Vertreter des Neuen Forums am Runden Tisch, zum neuen Oberbürgermeister. Die 36 VertreterInnen der Table ronde, in der Mehrheit neue demokratische Gruppierungen, in der Minderheit Ex-SED-isten und mit ihnen Segelnde (u.a. Unabhängiger Frauenverband, Kulturbund) beschlossen dies mit einigen Enthaltungen. Henning Naumann bleibt Stellvertreter.

Christoph Kleemann erklärte Dienstag morgen auf seiner ersten offizellen Pressekonferenz die Gewährleistung demokratischer Transparenz zu seiner Hauptaufgabe vor den Kommunalwahlen am 6. Mai. Eine Kommission von 18 Räten mit Stimmrecht aber ohne Geschäftsbereich will die amtierenden Räte kontrollieren. Die Abteilungsleiter, eine Verwaltungsetage tiefer, haben loyale Zusammenarbeit zugesagt.

Monatelanges Finessieren Bendlins und Schleiffs nach dem Muster „Getrennt marschieren, vereint schlagen“ (vgl. taz-HB v. 24.3.) hatte bloß den Runden Tisch platzen lassen, hatte am letzten Freitag eine demonstrierende Masse vors Rathaus gebracht, sonst nichts. Noch Freitag abend bot er in einem Gespräch mit dem Vorsitzenden des Runden Tisches, Dr. Wiebering, als Kompromiß lediglich an, seinen Jahresurlaub anzutreten. Wieberings ausdrückliche Nachfrage: Nicht: Sie werden beurlaubt, sondern Sie gehen in Urlaub? bejahte Schleiff. Gustav Bendlin, dessen Urlaubsantritt Schleiff gleichzeitig mitteilte, solle auf Bezirksebene untergebracht werden. Sorgen um gefährdete Pensionen hält Dr.Wiebering für den eigentlichen Grund der Beurlaubungsstrategie.

Der Runde Tisch, Freitag abend notzusammengerufen, lehnte rundheraus ab. Dem teilnehmenden Schleiffvertreter Henning Naumann wird die wiederholte Rücktrittsforderung mit auf den Weg gegeben. Diesmal terminiert bis Montag. Erneutes Telefongespräch Schleiff - Dr. Wiebering am Sonntag. Immer noch kein Fortschritt. Montag morgen flattern große Transparente vor dem Rathaus. BesetzerInnen kündigen unbefristete Mahnwache bis zum Rücktritt Schleiffs an, da endlich passiert's.

Dr. Wiebering verläßt an diesem Morgen Rostock, um am Bremer Kirchentag teilzunehmen. „Endgültig zurückgetreten ist Hennig Schleiff nur durch die sanfte Gewalt der Demonstranten“, sagt der hagere Kirchenmann, als „die taz“ ihn in der Bremer Glocke zur ersten ersten Stadtregierung eines Rundtischlers befragt. „Noch vor einer Woche hätte er das anständiger haben können. Das Gorbatschowwort, wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, gilt auch für den, der zu spät geht.

Uta Stolle