Ibrahim Böhme setzt auf Aufklärung

■ Vorsitzender der DDR-SPD läßt wegen Stasi-Vorwurf Amt und Volkskammermandat ruhen / Unabhängiges Gremium soll schnelle Klärung herbeiführen / SPD-Basis über Beteiligung an Koalition mit der CDU und der DSU gespalten / Meckel will immer noch keine Koalition mit DSU

Berlin (taz) - Der unter den Verdacht der Zusammenarbeit mit dem Stasi geratene Ibrahim Böhme ging gestern in Ost-Berlin in die Offensive: „Ich erwarte meine Rehabilitierung.“ Der 'Spiegel‘ hatte einen angeblichen Führungsoffizier Böhmes ausfindig gemacht. Böhmes Dementi ließ keine Lücke: „Zu keinem Zeitpunkt“ habe er als „informeller Mitarbeiter“ für die Staatssicherheit gearbeitet. Er habe auch keine Informationen „wissentlich an die Staatssicherheit weitergegeben“. Für die Angaben des Stasi-Informanten hatte Böhme dem 'Spiegel‘ eigene Versionen präsentieren können. Einzelne Details, so Böhme jetzt auf der Pressekonferenz, seien offenbar im nachhinein konstruiert und rückgeschlossen worden. So sei ihm ein früherer Kontakt zu einem Mann nachgesagt worden, den er erst nach der Gründung der Sozialdemokratischen Partei kennengelernt habe. Dennoch will Ibrahim Böhme bis zur Aufklärung der Vorwürfe alle seine Ämter ruhen lassen: das Volkskammermandat, den Parteivorsitz und die Fraktionsführung. Damit das möglichst bald passieren kann, hatte der Sozialdemokrat bereits am vergangenen Freitag den amtierenden Ministerpräsidenten Modrow aufgesucht. Schon in den nächsten Tagen soll ein Gre mium unabhängiger Persönlichkei ten mit Zustimmung Böhmes des sen Akte aus der Stasi-Zentrale einsehen.

Der zum amtierenden SPD-Vorsitzenden eingesetzte Markus Meckel berichtete von der Empörung des SPD-Präsidiums über die Vorwürfe. Das neue Parlament werden „in den Schmutz gezogen“. Das Vertrauen in den Vorsitzenden könne durch Berichte in der Art des 'Spiegel‘ nicht erschüttert werden. Meckel sprach von einer „Fortsetzung von Staatssicherheitsmethoden“. Er werde „lieber von einem Freund enttäuscht, als ihm zu mißtrauen“ - Meckel benutzte damit ähnliche Worte wie der für Schnur nachgerückte DA -Vorsitzende Rainer Eppelmann. Böhme erklärte auf Nachfrage, er kenne einen Mann, der der Informant des 'Spiegel‘ gewesen sein könnte. „Er war mir nicht bekannt als Stasi-Offizier. Aber ich mißtraute ihm in dem Versuch, sich mir zu nähern.“ Den Namen des Mannes, den er seit 1984 kenne, wollte er nicht nennen.

Amtierender Vorsitzender der SPD-Fraktion wird Richard Schröder. Schröder berichtete im Anschluß an Böhmes Pressekonferenz kurz von dem informellen und „persönlichen“ Gespräch, das drei Mitglieder der SPD-Fraktion mit dem CDU -Vorsitzenden de Maiziere gehabt hatten. De Maiziere sei ihm als „ein Mann, der sich um die Situation des Landes Sorgen macht“, erschienen. Trotz hartnäckiger Nachfragen, ob eventuell doch eine Koalition mit der DSU denkbar wäre, wollte der neue Fraktionschef mit Hinweis auf die Meinungsbildung der Fraktion nicht antworten. Er berichtete von den Telegrammen, die den Parteivorstand von der Basis erreichten. Die würden auf drei Haufen verteilt: Koalition unter keinen Umständen, Koalition unbedingt, Koalition nur ohne DSU. Die Höhe der Haufen sei „50:50“, meinte Schröder.

Markus Meckel erneuerte indes den SPD-Standpunkt, keine Koalition mit der rechten DSU einzugehen. Dies habe er auch de Maiziere mitgeteilt, und der habe ihn wohl auch „verstanden“. Der Fraktionsvorstand werde SPD-Vertreter benennen, die Gespräche mit der CDU aufnehmen sollen.

Klaus Wolschner