Tele-Kuchen schmeckt immer besser

Podiumsdiskussion auf der CeBIT über Chancen nach der Postreform: Neue Anläufe gegen das Netzmonopol  ■  Aus Hannover Frank Holzkamp

Seit Anfang des Jahres ist es mit dem grundsätzlichen Monopol der Deutschen Bundespost vorbei, freuen sich die prominenten Manager der Kommunikationsindustrie, die sich auf der diesjährigen Computermesse CeBIT in Hannover treffen. Der Staatsbetrieb Bundespost galt als unflexibel und technisch wenig innovativ, vor allem aber versperrte er lukrative Märkte.

Am Donnerstag kamen rund 300 Industrielle und einige Beamte zusammen, um die Zukunft des dicksten Fisches unter den jetzt drei auf Wettbewerb getrimmten Postunternehmen zu beraten: der „grauen Post“ Telekom mit ihrem Jahresgewinn von 2,7 Milliarden DM, hinter der die Postbank und die „gelbe Post“ mit klassischem Paket- und Briefzustelldienst weit zurückfallen. Denn die Telekom hat weiter das Leitungsmonopol und ist damit zuständig für den Löwenanteil der Kommunikation via Telefon, Satellit und den neuen Diensten wie ISDN und Cityruf - immer noch viel zu viel, war die fast einhellige Meinung auf dem Podium im Messezentrum.

Zwar sollten unter dem Motto Marktwirtschaft statt Monopol die „Chancen und Risiken“ diskutiert werden, aber der zweite Punkt fiel angesichts der vom Fachblatt 'Funkschau‘ Geladenen rasch unter den Tisch. Postminister Schwarz-Schilling lobte das Erreichte, und das Hohelied des Wettbewerbs sangen Tyll Necker, Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, und der Mobilfunk-engagierte Albrecht Graf Matuschka so perfekt, daß dem Telekom-Vorstand Ricke das Kommunizieren im Halse stecken blieb. Widerpart Peter Glotz, medienpolitischer Sprecher der SPD, kam wegen des Messeverkehrs deutlich zu spät und prompt wenig ins Gespräch.

„Da wird zunächst der Benutzer zum Kunden. Der Kunde ist König. Was ist dagegen schon der Benutzer?“, versuchte BDI -Chef Necker die Marktöffnung auf terminologischem Niveau schmackhaft zu machen - trotz der sozialen Folgen für die Postbeschäftigten, der Kommerzialisierung der elektronischen Kommunikation und der drohenden Unterversorgung der VerbraucherInnen in Randgebieten und finanziell unattraktiven Bereichen. Doch die Behörde, so will es die Branche, soll zum Unternehmen werden, die Telekommunikation soll der Autoindustrie irgendwann ihre Spitzenposition wegnehmen. Doch Telekom beherrsche noch immer 90 Prozent des Geschäfts. Nach viel sieht es wirklich nicht aus, was dem Ex -Monopolisten abgezwackt worden ist: Von technischen Genehmigungen abgesehen, dürfen ab 1. Juli Endgeräte wie Telefone und Faxgeräte frei hergestellt, gehandelt und angeschlossen werden.

Entsprechend bunt und mit technischem Schnickschnack versehen präsentierte sich denn auch die einst so verschnarchte Telekom-Produktpalette auf der CeBIT, um mit der neuen Konkurrenz wenigstens optisch mithalten zu können. Hinzu kommen die neuen ISDN-fähigen Endgeräte, an die die Telekom die Hoffnung knüpft, an die private Konkurrenz nicht allzuviele Prozentpunkte Umsatz zu verlieren. Auf lange Sicht rechnen Experten allerdings mit 20 bis 30 Prozent Einbuße im Endgerätegeschäft.

Ausgemachte Sache ist auch, daß parallel zum neuen digitalen Mobilfunk der Telekom - Kurzbezeichnung: D1 - das private Netz D2 bis 1994 flächendeckend an den Start gehen wird. Trotz der Mitbewerber hat Schwarz-Schillings Vorzeigeunternehmen gute Karten: Das Konsortium unter der Leitung des Mannesmann-Konzerns darf kein eigenes Netz betreiben, sondern muß sich bei der Telekom einmieten. Da war es wieder, das leidige Leitungsmonopol.

Und hier weckten die Veränderungen in der Noch-DDR neue Begehrlichkeiten. Ist im Westen die Sättigung mit den gemeinen Telefon so gut wie erreicht, warten die maroden Strippen im Osten geradezu auf die telekommunikative Urbarmachung. „Wir können vorschlagen, wie es in der DDR laufen soll“, so Mittelständler Matuschka, der trotz Rückendeckung durch das schwerreiche japanische Geldhaus Nomura mit seiner Gruppe beim Rennen um die Mobilfunk-Lizenz unterlegen war. Matuschka meinte damit weniger die technische Soforthilfe als die Suche nach einer Möglichkeit, die dortigen Fernmeldegesetze angesichts einer übernahmereifen DDR leicht knacken zu können, und erhielt ebenso prompten wie heftigen Beifall des Auditoriums.

Als Hebel sieht er die Kapitalisierung des Besitzstandes der DDR-„Deutschen Post“, etwa durch die Ausgabe von Anteilsscheinen. Mit der Bemerkung: „Die Werte der DDR dürfen nicht in die Geschäftsberichte einer westdeutschen Firma eingebucht werden“, stellte sich Matuschka, offenbar auf den Mobilfunk im Osten schielend, auch nicht gegen den Ausverkauf als mehr gegen die Mannesmänner. Da bremste der Minister aber mit dem Anschlußparagraphen 23 den Kommunikationsfeldzug: Er sehe das Leitungsmonopol im Grundgesetz verankert. Gälte in der DDR irgendwann Westrecht, müßte das auch dort die Grundlage für die Strukturierung der Postnachfolger sein.

Daß die Branche trotz Wehklagen nicht darben wird, ist sich der Minister sicher. Für eine Gesprächsrunde im nächsten Jahr hält er einen mindestens doppelt so großen Tisch für nötig, um alle aufzunehmen, die dann am Telekuchen herumschneiden.