Alle Untertassen im Schrank?

■ Ufo-Forscher aus aller Welt konferierten über die Kommunikation mit außerirdischem Leben

Mathias Bröckers

Vierzig Ufo-Forscher aus fünfundzwanzig Ländern trafen sich vergangenen Donnerstag zu einem viertägigen „Dialog mit dem Universum“ in Frankfurt. Ein paar Tage vorher hatte ich in Baudrillards Cool Memories gelesen: „Wenn die parapsychologischen und außerirdischen Erscheinungen wahr oder auch nur plausibel wären, müßte man sich ihnen gänzlich, ohne einen Augenblick zu verlieren, widmen. Ich verstehe nicht, daß man eine Sekunde mit etwas anderem verliert.“ Vielleicht hat Baudrillard noch nichts von Erich von Däniken gehört, denn plausibel sind seine Geschichten auf jeden Fall, auch die neueste, die er in Frankfurt vortrug: Bei den Ausgrabungen eines riesigen Labyrinths unter der Pyramide in Sachara (Ägypten) wurde eine gigantische Menge großer Sarkophage entdeckt, die bisher erst zu etwa zwanzig Prozent geöffnet wurden. Gefunden hat man die zersplitterten Knochen von etwa 4,5 Millionen Tieren. Däniken fordert, daß auch die anderen Sarkophage untersucht werden, um vielleicht noch heil gebliebene Gelenke zu finden, denn er ist sicher, daß es sich um besondere Tiere handelt: Um die Pegasusse, Kentauren und all die aus Mythen und alten Bildern bekannten Mensch-Tier -Wesen, die laut Däniken keine Phantasie aus grauer Vorzeit, sondern gentechnische Freilandversuche darstellen. Die Götter-Astronauten, die mit Getöse vom Firmament herniederkamen, haben den Ägyptern nicht nur das Basiswissen in Mathematik und Astronomie beigebracht, sondern auch versucht, die Tierwelt mittels genetischer Kreuzung intelligenzmäßig aufzupeppen. Die dabei entstandenen Viecher wurden als heilig deklariert, durften nicht gejagt werden und galten als furchterregend. Deshalb wurden sie, nach Abreise der „himmlischen Lehrmeister“, von den reinkarnationsgläubigen Ägyptern auch nicht mumifiziert, wie etwa die heiligen Krokodile, sondern kleingehackt und unwiderbringlich, unter zehn Tonnen schweren Granitdeckeln, endgelagert. Nun konnte von Däniken kein Halsgelenk einer Sphinx präsentieren, ob die Geschichte wahr ist, bleibt dahingestellt, aber plausibel scheint sie ebenso wie die Ufo -Lesart der Bibel, in der sich die Heiligen Schriften als Logbuch eines E.-T.-Flughafens und die Zeichen und Wunder als außerirdische Multimediashow präsentieren. Der Orientalist Zacharia Sitchin drückte es so aus: „Wer an die Bibel glaubt, müßte ein offenes Auge und Ohr für Ufos haben.“

Selbst wenn achtundneunzig Prozent aller Ufo-Beweise und Indizien als Fehlinterpretation, Sinnestäuschung oder Fälschung entlarvt werden, die verbleibenden zwei Prozent Plausibilität wären Grund genug, keine Sekunde mehr mit etwas anderem zu verlieren. Und eben dies, die Radikalität dieses Themas, das alle bisherigen Erkenntnisse über Entstehung und Rolle des Menschens über den Haufen schmeißt, sorgt dafür, daß Regierungen und offizielle Wissenschaft keinerlei Interesse daran haben, aus den Bergen von Zeugenaussagen, Fotos, Tonaufnahmen und Dokumentationen den Humbug herauszufiltern um dem plausiblen Rest auf den Grund zu gehen. Zum Beispiel dem 1984 aufgetauchten Dokument, das der Nuklearphysiker Stanton Friedman auf dem Kongreß präsentierte, ein „Top-Secret-Eyes-only„-Papier aus dem Weißen Haus über die „Majestic 12 Operation“, eine Zwölfergruppe hochkarätiger Militärs und Wissenschaftler, die ein 1947 in New Mexico abgestürtztes Ufo samt seiner getöteten Insassen untersucht haben soll. Seitdem, so Friedman, sei eine internationale Vertuschungsaktion im Gange, die auch zahlreiche weiteren Abstürze und die dabei entdeckten zum Teil noch lebenden Außerirdischen unter der Decke hielten - ein „kosmisches Watergate“. Das jüngste Mosaiksteinchen dieser Verschwörung präsentierte Mr. Dodd von der englischen Ufo-Gruppe QUEST: ein Protokoll der südafrikanischen Air Force, die am 7.Mai 1989 ein unidentifiziertes Objekt abgeschossen und in dem hundertfünfzig Meter großen Krater an der Abschußstelle ein silbernes, scheibenförmiges Fluggerät sichergestellt haben soll. Bei den noch lebenden Insassen, die mit ihrem Ufo zur US-Air-base White Patterson (Ohio) verbracht worden sein sollen, handelt es sich um die in Ufo-Kreisen wohlbekannten „Grauen“: einsvierzig groß, drei Finger, graue Haut, keine Geschlechtsmerkmale, überdimensionaler Kopf mit großen schwarzen Augen. Physiologisch ähneln diese EBES (Extraterrestrial Biological Entities) eher Insekten als Menschen. Durch telepathische Kontaktaufnahme mit diesen Wesen soll es bei diesem Absturz gelungen sein, die merkwürdige hieroglyphenartige Schrift der Außerirdischen zu decodieren. Versteht sich, daß offizielle Stellen das durch undichte Kanäle an die Öffentlichkeit gelangte Protokoll dementieren.

Für die CENAP (Zentrales Erforschungsnetz außerirdischer Himmelsphänomene), die eine Gegenpressekonferenz veranstaltete, ist das MJ-12-Dokument ebenso handfester Schwindel wie alles andere, was die Referenten an Beweisen und Dokumenten präsentierten - die Anti-Ufo-Fraktion glaubt felsenfest an hundert Prozent Humbug und ist deshalb kaum weniger suspekt als die kosmischen Sternenbrüder, die hundertprozentig sicher sind, daß sie sich tagtäglich telepathisch mit den Kapitänen diverser Untertassenflotten unterhalten. Der verquast-religiöse Kitsch, den die Ufonauten den irdischen Empfängern durchgeben, läßt freilich nicht auf überlegene kosmische Intelligenz schließen. Warum, so lautet die Standardfrage an die Ufo-Forscher, spielen die Außerirdischen ein derartiges Versteckspiel mit uns, wenn sie technologisch und geistig so überlegen sind, könnten sie sich doch ganz einfach und unzweideutig bemerkbar machen. Dem Seniorkorrespondenten der sowjetischen Nachrichtenagentur 'Tass‘ Sergej Bulantsev - bei der Pressekonferenz hielt der 'FAZ'-Reporter auch diesen für eine Fälschung und ließ sich selbst von einer Visitenkarte (Bulantsev: „A good fake!“) kaum überzeugen - wurde nach der von ihm recherchierten Ufo-Landung in Woronesch vor drei Wochen diese Frage dauernd gestellt, seine Antwort ist durchaus überzeugend: „Wir Erdlinge sind nicht intelligent genug für kosmische Kommunikation. An wen sollten sich die Außerirdischen wenden, an die USA, die Sowjetunion? Warum nicht an Deutschland? Wir Erdlinge haben ein ekelhaftes Gesicht und keine Moral, was würde passieren, wenn wir die überlegene Technologie der Außerirdischen in die Hand bekämen? Wir würden sie - wie jede Erfindung auf der Erde gegen uns selbst wenden und militärisch nutzen. Wir sind als planetarische Familie nicht einmal in der Lage, unter uns selbst zu kommunizieren, wie sollen wir da vernünftig mit den Aliens reden? Kein wirklich intelligentes Wesen bringt ein anderes intelligentes Wesen um, wir lassen täglich dreißigtausend Menschen verhungern und geben 800 Milliarden Dollar pro Jahr für Raketen und Rüstung aus. Wir verstehen die planetarischen Probleme wie Krieg und Umweltzerstörung, aber wir können sie nicht lösen - weil wir nicht intelligent sind.“

Auch für die haarsträubendsten Referate auf diesem Kongreß

-die Berichte und Zeugenaussagen von Entführungen und medizinischen Untersuchungen durch Außerirdische - hatte Bulantsev eine Erklärung parat: „Die medizinischen Untersuchungen finden statt, weil die E.T.s herauskriegen wollen, was mit uns nicht stimmt.“ Auf den Dias des amerikanischen Psychologen Budd Hopkins sind die Operationsnarben der Entführungsopfer zu sehen - geometrisch exakte Linien und Quadrate, wie sie irdische Chirurgen kaum hinbekommen würden. Hopkins hat zahlreiche Fälle untersucht, bei denen Menschen und oft auch kleine Kinder plötzlich eine derart merkwürdige Verletzung feststellten, aber keine Erinnerung an deren Zustandekommen haben - unter Hypnose förderten sie dann Erlebnisse zutage, die erstaunliche Parallelität aufwiesen: kleine graue Wesen, die sie paralysierten und über einen Lichtstrahl in einen übermäßig hellen Operationsraum verfrachteten, untersuchten und einen Eingriff machten. Die Details der Zeichnungen, auch der im „OP“ gesehenen Schriftzeichen, der Geräte und des Verhaltens der Außerirdischen sind laut Hopkins von derart großer Übereinstimmung, daß es einfach nicht sein kann, daß die von ihm therapierten Entführungsopfer einfach nur dieselben Science-fiction-Storys gelesen hätten. Seit Hopkins in den USA ein Buch über diese Fälle veröffentlicht hat (Intruders) erreichen in täglich Anfragen und Berichte, so auch der einer Frau aus Albuequerque, die sich erfolgreich gegen eine E.T.-Operation zur Wehr setzte. Sie hätte den Entführern gesagt: Was ihr hier macht, verstößt gegen meinen freien Willen und gegen die universellen Gesetze. Wenn ihr das nicht wißt, geht und fragt eure Meister. Die kleinen Grauen hätten konsterniert geguckt, seien verschwunden, kurz darauf wiedergekehrt und hätten sie unversehrt auf der Erde abgesetzt. Offenbar scheint es auch im Kosmos einen Bußgeldkatalog zu geben, der den umherstreifenden Rowdys Respekt einflößt...

Woher kommen nun die kleinen Grauen? Laut Wendell Stevens, ehemaliger Colonel der US-Air-Force, stellen sie etwa ein Drittel der bei Ufo-Kontakten entdeckten Besatzungen, ein weiteres Drittel sei kaum zu unterscheiden von uns Erdenmenschen, das dritte besteht aus allen möglichen Arten und Rassen, darunter auch die über drei Meter großen E.T.s, die kürzlich in der Sowjetunion gelandet sein sollen. Anhand des auf achthundert Seiten dokumentierten Falls von Bill Hermann, der 1978 in Charleston (USA) mehrere Male von den Grauen entführt wurde und angeblich guten Kontakt mit ihnen hatte, erläuterte Stevens ihre Herkunft: Sie stammen von einem Stern, der siebenunddreißig Lichtjahre von der Erde entfernt ist. Anhand der Zeichnung, die Hermann nach den Schilderungen der E.T.s von diesem Sonnensystem anfertigte, konnten Astronomen dieses System identifizieren: Es ist das Doppelsternsystem Riticula. Wie sind nun diese Ufonauten in der Lage, derart gigantische Entfernungen zurückzulegen auf diese Frage glaubte das Team sowjetischer Forscher aus Leningrad und Tomsk, das unter anderem auch die Zeugenberichte der Ufo-Landung in Woronesch präsentierte, eine Antwort erhalten zu haben. Bei einem Kontakt in Tiflis (Georgien) hätten die Außerirdischen auf diese Frage erklärt, daß sie in der Lage seien, das Raum-Zeit-Gefüge irgendwie zu falten, und dadurch solche Entfernungen in wenigen Sekunden zurücklegen könnten. Für den gesunden Menschenverstand allerdings ist diese Technik noch schwerer zu verstehen als die Relativitätstheorie - da hilft auch nicht das von Bill Hermann aufgenommene Tonband einer Ufo -Landung, ein sirrendes, fraktales Obertongeräusch, das bei entsprechender Verstärkung auch von einem zirpenden Grillenchor stammen könnte.

Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt der abenteuerlichen Geschichten, die auf dem viertägigen Kongreß in Frankfurt präsentiert wurden, mehr als zwei Prozent und durchaus plausibel. Das Ufo-Thema ist nicht tabuisiert, es entzieht sich auf viel raffiniertere Art der objektiven Beurteilung, weil es nämlich wie Loch Ness, Yetis & Co. auf der Yellow -Press- und Sensationsebene angesiedelt ist. Die Verschwörungstheoretiker wissen, warum das so ist: weil sich die Ufo-Abstürze und Kontakte nicht absolut wasserdicht verheimlichen ließen, hätten die US-Geheimdienste NSA und CIA schon in den vierziger Jahren eine große Desinformationskampagne gestartet und die aberwitzigsten Ufo -Storys unters Volk gestreut, um so die harten Fakten optimal zu tarnen. Nun präsentierten auch die Referenten auf diesem Kongreß zum Teil absolut aberwitzige Storys, die mit Fug und Recht als Bestandteil dieser Desinformationskampagne angesehen werden können - Realität und Simulation lassen sich nicht unterscheiden. Dennoch zeigte sich Dr. Bunk von der bundesdeutschen UFO/IFO-Studiengesellschaft optimistisch, daß „die Wahrheit“ kurz vor dem Durchbruch steht und das Ende der Geheimhaltungsperiode „in zwei, drei Jahren“ zu erwarten sei. Das ist aber nur möglich, wenn die Regierungen und Geheimdienste ihre Ufo-Archive öffnen, doch daß dies in nächster Zeit zu erwarten ist, darauf gab es auf dem Kongreß keinen Hinweis. Die Aufregung und Panik der Erdlinge wäre heuer nicht kleiner als vor vierzig Jahren, und heute wie damals haben die Regierungen der Welt schon aus Selbsterhaltungsgründen kein Interesse, die Anwesenheit einer technolgisch und geistig überlegenen kosmischen Autorität zuzugeben. Wer hörte schon noch auf einen Erdenkloß wie Helmut Kohl, wer auf unsere Nobelpreisträger und hochmögenden Experten, wenn plötzlich ein himmlischer kleiner Grauer im Fernsehen von den Gesetzen und Regeln auf Riticula und von der Geschichte des Kosmos erzählte? Kein Schwein, und deshalb müssen Ufos auch in Zukunft auf der Loch-Ness- Ebene abgehandelt werden - die Existenz von Außerirdischen ist zu subversiv und radikal und stößt alles, was zweitausend Jahre Wissenschaft und Evolutionsforschung an „harten Fakten“ erbracht haben, über den Haufen. Und wer will sich als sogenannte Krone der Schöpfung schon damit abfinden, daß das Übernatürliche vielleicht gar nicht übernatürlich ist, sondern wir hieniden schlicht und ergreifend unternatürlich.