Wannsee-Kladow und zurück: „Immer wie 'ne Urlaubsfahrt“

■ Eisbrecher „Kohlhase“ im Einsatz / Nicht nur Ausflügler bevölkern das Personenboot / Verkehrszähler testen die Akzeptanz

„Erst aussteigen, dann einsteigen“, maßregelt mich eine muffelige Frau, als sie von der Fähre kommt. Doch ihre üble Laune ist die Ausnahme. Die sechs Fahrgäste, die von Wannsee nach Kladow übersetzen, genießen trotz früher Stunde und Regen die Bootsfahrt. Zwanzig Minuten Muße, zurückgelehnt in die weichen Plastikbänke, die Zeitungen auf den Tischen ausgebreitet. Wie alte Bekannte begrüßt der Bootsmann Osman Cetin seine Passagiere, die ihm Monatskarten entgegenstrecken. Einmal stempeln, klatsch, ansonsten Ruhe.

Das Fährschiff „Kohlhase“ ist im Dienst der BVG unterwegs. Karl Heinz Günter tuckert seit vier Monaten den ganzen Tag hin und her. Er macht Statistik, und weil „Verkehrszähler immer zu zweit sind laut Vorschrift“, kann er mit seinem Kollegen Kaffee trinken. Noch bis September, bis das Sommerhalbjahr zu Ende ist, wird die „Akzeptanz der Fähre geprüft“. Begeistert von ihrem Dienst sind beide BVGler. „Heute morgen hab‘ ich ja nur zwei Striche gemacht, aber was meinen Sie, wie das bei schönem Wetter ist. Da kommen die Ausflügler ab 9 Uhr, und dann geht das Gerangel um die Plätze los. Die Senioren, die umsonst fahren können, wollen gar nicht mehr aufstehen. Aber das ja kein Ausflugsdampfer. Andere wollen auch mal oben sitzen.“ Nach so vielen Monaten Beobachtung kann Günter gleich den lebendigen Beweis herzitieren. „Das ist schon ärgerlich“, bestätigt ein weiblicher Fahrgast, „wenn ich das Auto stehenlasse und die Fähre mich dann stehenläßt.“ Ihr Ärger scheint schon vergessen, denn sie schwärmt: „Auf dem Schiff fühlt man sich nicht wie in Berlin, das ist immer wie 'ne Urlaubsfahrt.“

Seit sieben Jahren wohnt die Bauersfrau in Gatow und hat erst heute die Fähre entdeckt. „Also hier draußen in Kladow gibt's Sachen“, und weiter schnattert sie von den vorzügen, „frische Luft, frische Eier. In der Stadt habe ich ein Zeichen auf den Eierkarton gemacht, der stand nach zwei Wochen immer noch da.“

Langsam beschlagen im Inneren die Scheiben und trüben die Aussicht. Draußen trotzt ein Seniorenpaar dem Wetter im Regenschutz. „In Kladow ist es wunderbar, hier kann man leben wie im Wald. wir zelten so gern.“

Den besten Überblick hat Günter Seelin, der Kapitän. Zwischen Anzeigetafeln, Alpenveilchen, Fliegenpatsche und Seefunkgerät thront er überm Wannsee. Mit dem neuen Radar ist die Orientierung auch im Nebel kein Problem mehr. Und selbst bei Eis bis zu 20 cm gräbt sich „Kohlhase“ eine Fahrrinne zum anderen Ufer, denn ursprünglich ist die Fähre als Eisbrecher konstruiert und wurde erst später zum Personenboot ausgebaut. „Es ist nicht immer so schön wie heute“, sagt er, stellt die Scheibenwischer an und stützt die Hände auf den Bauch. Bei gutem Wetter kann ich die Finger nicht vom Gashebel lassen. Da können Sie von einem Boot aufs andere springen.“

Zurück am Bootssteg Wannsee macht die Fähre ein paar Minuten Pause, um die nächsten einzuladen. Noch warten die aufgemotzten Ausflugsdampfer auf Gäste. Doch was ist „Havelqueen“ gegen „Kohlhase“?

Petra Schrott