Fick und Fuck

■ Inzwischen verfolgt die amerikanische Filmzensur nicht nur den okularen, sondern ebenso engagiert den verbalen Schweinkram

Marcia Pally

Ich dachte, nur wenn man viermal 'fuck‘ sagt, kriegt man ein 'R‘ - und bei uns war es nur dreimal!“ So Danny DeVitos Reaktion, als die Motion Picture Association of America (MPAA) seiner ersten Regiearbeit Throw Mama from the Train („Schmeiß die Mama aus dem Zug“) mit einem „R“ bewertete. DeVito war eben der Meinung gewesen, man dürfe in einem Film dreimal „fuck“ sagen, ohne sich ein „R“ einzuhandeln. „Die haben dem Film die gleiche Einstufung gegeben wie Fatal Attraction. Sehen die da überhaupt keinen verdammten Unterschied?!“

Throw Mama from the Train, eine intelligent geschriebene Komödie mit zahlreichen Slapstickeinlagen, sollte zu Weihnachten 1987 als Familienunterhaltung in die Kinos kommen. DeVito hatte eine entsprechende Einstufung erwartet, die seinen Film auch für Kinder und Jugendliche freigeben würde - ein „R“ war wirklich das letzte, was er gebrauchen konnte. Ganz unabsichtlich hatte er jedoch die schmale Grenze überschritten, weil er nicht wußte, daß in einem Film, der die Bewertung „R“ vermeiden will, das Wort „fuck“ nur ein einziges Mal als Kraftausdruck auftauchen darf - zum Beispiel in einem Satz wie: „Oh, 'fuck', diese Sch...-Einstufungsbehörde.“ Auf keinen Fall darf es heißen: „'Fuck', diese Sch...-Einstufungsbehörde.“ Wenn das Wort „fuck“ auch nur ein einziges Mal in seiner sexuellen Bedeutung gebraucht wird, ist automatisch ein „R“ fällig.

Diese „automatische Sprach-Klausel“ ist nur eine der beiden starren Faustregeln, nach denen Filme beurteilt werden: Ein aus dem Bereich der Sexualität abgeleiteter Kraftausdruck zieht die Einstufung „PG-13“ nach sich, zwei dieser Kraftausdrücke bereits ein „R„; wird das betreffende Wort auch nur einmal als Verb benutzt, handelt man sich sofort ein „R“ ein. Die zweite starre Regel betrifft den Drogengebrauch: Jede Darstellung von Marihuana (nicht jedoch von Koffein, Nikotin oder Alkohol) hat ein „PG-13“ zur Folge; jede ausführlichere Darstellung bringt ein „R“ ein. (Dabei kann die Einstufungsbehörde diese automatische Regelung mit Dreiviertelmehrheit überstimmen.)

Abgesehen von diesen Regeln gibt es keine klar festgelegten Richtlinien, an denen sich Regisseure oder Drehbuchautoren orientieren könnten, und auch keine öffentlichen Bestimmungen darüber, was Kindern und Jugendlichen zugemutet werden darf. Jeder Film wird als Ganzes betrachtet, wie MPAA -Präsident Jack Valenti versichert, und von der Classification and Ratings Association (CARA - eine unabhängige Unterabteilung der MPAA) jeweils im Hinblick auf Sex, Gewalt und „Thema“ geprüft. Der CARA-Ausschuß orientiert sich daran, was seiner Meinung nach „die Mehrheit der amerikanischen Eltern über die Zumutbarkeit des Filminhalts denkt“, und klassifiziert den Film dementsprechend mit „G“, „PG“, „PG-12“, „R“ oder „X“.

(Die Kategorie „XXX“ hat mit dieser Einstufung überhaupt nichts zu tun. Sie ist ein Hinweis auf hard-core Pornographie und wird Pornofilmen von den Pornofilmproduzenten selbst zu Werbezwecken verliehen. Die MPAA zieht solche Filme nicht einmal in Erwägung.)

Obwohl die CARA die einzelnen Filme danach beurteilt, „wie jedes dieser Elemente in jedem individuellen Film behandelt wird“, kann schon die bloße Präsenz von obszönen Ausdrücken, Sex oder Drogen eine ungünstige Einstufung nach sich ziehen, und zwar ohne Rücksicht auf die Art und Weise, wie diese Dinge präsentiert werden. Wenn in einem Film der Genuß von Kokain gezeigt wird, um deutlich zu machen, daß Coke eine große Gefahr ist, dann muß dieser Film mindestens als „PG -13“ eingestuft werden, und Less than Zero, einer der ehrlichsten und kritischsten Antidrogenfilme, die je gedreht wurden, kam mit der Einstufung „R“ in die Kinos.

Für einen Regisseur, der der Prüfstelle seinen Film vorlegt, ist es so, als würde er in ein Minenfeld laufen. Wo der Sprengstoff liegt, weiß er erst, wenn er direkt unter seinen Füßen explodiert. DeVitos Film geriet in Konflikt mit den CARA-Vorschriften, weil er eine Szene enthielt, in der ein Buch mit dem Titel One Hundred Women I Want to Fuck erwähnt wird. „To fuck“ ist ein Verb - Pech gehabt, Danny.

DeVito legte gegen diesen Entscheid Einspruch ein, meinte aber später selbst: „Ich hatte nur eine Nacht in New York, und ich hab‘ verloren.“ Der Titel des Buches wurde daraufhin geändert in One Hundred Women I Want to Pork - was in den Augen der MPAA offenbar sehr viel akzeptabler ist.

Regisseur David Morris bekam noch mehr Probleme mit seinem letzten Film, Patty Rocks. Dieser mit geringen finanziellen Mitteln gedrehte, entschieden feministische Film über das Verhältnis zwischen Männern und Frauen wurde mit „X“ klassifiziert - so sieht also die Zensur zum „Schutz“ der Frau aus. Darüber hinaus wurde das „X“ nicht wegen ungewöhnlich deutlicher sexueller Darstellungen gegeben, sondern aufgrund der unzweideutigen Sprache des Films - ein absolutes Novum in der Filmindustrie. Morris konnte es nicht fassen und beschwerte sich bei der MPAA: „Ich habe einen Film darüber gemacht, wie Frauen von den Männern erniedrigt werden, und jetzt wirft man mir vor, ich hätte gesellschaftlich unverantwortlich gehandelt.“

Morris und sein Produzent Sam Grogg legten gegen den Bescheid gleich zweimal Widerspruch ein. Zu ihrer Verteidigungsstrategie gehört auch, daß sie sich ein Wochenende Zeit nahmen, um die Häufigkeit der „F„-Wörter in gängigen, mit „R“ eingestuften Filmen zu zählen. Das Ergebnis: Scarface - 206; Salvador - 841; Beverly Hills Cop II- 54; Full Metal Jacket - mehr als 30 schon in den ersten 30 Minuten des Films, nach denen Grogg und Morris mit dem Zählen aufhörten. Patty Rocks dagegen kam auf nur 73. Die beiden legten ihr Ergebnis dem Berufungsausschuß vor.

Im zweiten Anlauf erhielt der Film dann gerade genügend Stimmen, um ein „R“ zu bekommen. Allerdings hat die Sache einen Haken: Wenn ein Regisseur gegen eine Einstufung Berufung einlegen will, muß er zuerst einmal die ursprüngliche Bewertung akzeptieren, die dann in dem wöchentlichen Rundbrief der MPAA veröffentlicht wird, auch wenn die Filmemacher Beschwerde einlegen und Anspruch auf eine niedrigere Einstufung erheben. (Die Einstufung wird nicht veröffentlicht, wenn der Filmemacher bereit ist, seinen Film zu schneiden und der CARA eine neue Fassung vorzulegen, sondern nur dann, wenn die Berufung für die erste Fassung des betreffendes Films gelten soll.) „Dadurch wird“, wie Grogg erklärte, „natürlich der gesamte Verleih des Films gefährdet. Die meisten Kino-Ketten weigern sich, einen mit „X“ eingestuften Film zu vertreiben, und auch die meisten Zeitungen lehnen jede Werbung für einen solchen Film ab. Und selbst wenn der Berufungsausschuß schließlich eine günstigere Einstufung beschließt, ist es zu spät, weil jeder längst Bescheid weiß.“

General Cinema mit mehr als 1.000 Kinos im ganzen Land zeigt keine mit „X“ eingestuften Filme; die 'Los Angeles Times‘ lehnt es grundsätzlich ab, für solche Filme Werbung zu machen; die 'New York Times‘ wollte nicht einmal den Titel des Films Sammy and Rosie Get Laid („Sammy und Rosie tun es“) abdrucken, nachdem die MPAA ihm ihre Genehmigung versagt hatte - und auch diesmal war wieder dieses anstößige Verb daran schuld. Die 'Dallas Morning News‘ weigert sich selbst dann noch, eine Anzeige für Patty Rocks zu bringen, als die Berufung Erfolg hatte und der Film als „R“ eingestuft wurde. Die Anzeige warb mit folgendem Text: „Patty Rocks wird Ihnen helfen, eine völlig neue sexuelle Position zu probieren... Ehrlichkeit.“ Als die Anzeige endlich doch erschien, fehlte plötzlich das Wort „sexuelle“.

Mit anderen Worten: Heute bedeutet die Klassifizierung „X“ in der Regel das Ende eines Films. Noch vor wenigen Jahren, vor dem Aufkommen eines neuen politischen und religiösen Konservatismus, war ein „X“ eine schicke Sache, etwas für die Filmkunsttheater - das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum solche Filme wie Last Tango in Paris („Der letzte Tango in Paris“), A Clockwork Orange und Midnight Cowboy („Asphalt Cowboy“), die alle bei der ersten Vorlage bei CARA ein „X“ erhielten, nicht einfach von der Bildfläche verschwanden. Im gegenwärtigen Klima jedoch hätten diese Filme mit dieser Einstufung nicht die geringste Chance. Zum Vergleich sei erwähnt, daß weder Conan the Barbarian mit seinen berüchtigten blutigen Köpf- und Massaker-Szenen noch Texas Chainsaw Massacre oder auch Rambo je ein „X“ gesehen haben.

MPAA-Präsident Jack Valenti schreibt in seinem Buch über das Bewertungssystem, dieses Einstufungssystem sei eine Dienstleistung, die dazu dienen sollte, den Eltern Vorausinformationen an die Hand zu geben, damit sie selbst entscheiden können, welche Filme ihre Kinder sehen dürfen und welche nicht“ (Hervorhebungen von Valenti selbst). Er beharrt darauf, daß es sich weder um eine Zensur handele noch die Chancen des betreffenden Films beeinträchtige. Der CARA-Ausschuß hat keine Polizei- oder Lizenzbefugnis, er kann einen Filmemacher weder zwingen, die Einstufung zu übernehmen, noch die Aufführung eines Films verhindern vorausgesetzt natürlich, der Regisseur findet einen willigen Verleiher, Kinobesitzer und Werbeträger. Es ist Sache der Kinobesitzer, eventuelle Besucherbeschränkungen einzuhalten und durchzusetzen. Die Einstufungen sind auf jeden Fall kein Hindernis dafür, daß Erwachsene sich die betreffenden Filme anschauen können.

„Wir gehen von einer fundierten Einschätzung darüber aus“, erklärte mir Richard Heffner, der Vorsitzende des CARA -Ausschusses, „wie die Mehrheit der Eltern denkt. Es ist heute nicht mehr so einfach wie früher, als eine Brustwarze ein 'R‘ bedeutete, ein in den Körper eindringendes Messer ein 'PG‘, ein wieder herausgezogenes Messer ein 'R‘. Dennoch ist unser System einigermaßen konsequent: Wir beurteilen Filme danach, wie die meisten Eltern unserer Meinung nach empfinden.“ Auf der Grundlage dieser höchst sensiblen Kriterien verlieh der CARA-Ausschuß ein „R“ an Dan Aykroyds heitere Komödie The Couch Trip, Adrian Lynes Thriller Fatal Attraction, Oliver Stones schockierenden Kriegsfilm Platoon, David Leans Film über das britische Weltreich, A Passage to India, und Danny DeVitos Throw Mama from the Train.

Heffner verweist außerdem darauf, daß das Einstufungssystem eine freiwillige Angelegenheit ist (Filmemacher bezahlen einen bestimmten Prozentsatz ihrer Produktionskosten für die Einstufung der Filme) und der Ausschuß niemanden zwingt, sein Werk zu ändern. Da eine falsche Einstufung jedoch den Verleih eines Films erschwert, übernehmen die Filmemacher ihre „Hinweise“, wie Sam Grogg es nannte, vom Einstufungsausschuß und machen entsprechende Schnitte. Die Standardverträge zwischen Studios und Regisseuren verlangen, daß der Filmemacher einen Film abliefert, der nicht mit „X“ eingestuft wird. Das zum Thema „freiwillig“.

Selbst ein so einflußreicher Regisseur wie Brian de Palma griff zur Schere und schnippelte wie ein Wilder, um zu verhindern, daß seine Filme Dressed to Kill, Scarface und Body Double ein „X“ erhielten. Alan Parker, der Regisseur von Angel Heart, war gezwungen, mehrere Bilder mit Micky Rourkes Hinterteil herauszuschneiden, ehe der Ausschuß den Film von „X“ auf „R“ zurückstufte. Und nach den Schwierigkeiten mit Patty Rocks und Throw Mama, die ein „X“ bzw. „R“ allein für die Dialoge erhielten, werden die Filmemacher mehr und mehr dazu übergehen, noch vor Beginn der Aufnahmen die Drehbücher zu säubern.

Heffner dazu: „Wir hätten es lieber, wenn die Regisseure keine Selbstzensur machen würden. Wir würden es vorziehen, wenn sie entweder mit dem 'X‘ oder ganz ohne Einstufung rausgehen.“

„Natürlich hätte er das lieber“, meint Groff dazu. „Schließlich ist es ja nicht sein Geld, um das es geht.“ Und damit sind wir, wie ich meine, beim eigentlichen Kern des Problems. Das Einstufungssystem ist in erster Linie ein Hilfsmittel für das Marketing und nicht so sehr für besorgte Eltern und ist inzwischen - das Gefasel vom Schutz Minderjähriger einmal beiseite - zu einem festen Bestandteil der Werbestrategien der Filmstudios und ihres Profitstrebens geworden.

Um beim Publikum der 18- bis 30jährigen anzukommen, die nach Meinung der großen Studios den größten Teil ihres Publikums bilden, sind die Produzenten bemüht, genügend Sex und Gewalt anzubieten, um den Zuschauern einen gewissen Kitzel zu bieten, ohne dabei jedoch das Schamgefühl oder den Anstand zu verletzen. Ein Film mit der richtigen Mischung aus Sex und Schuld - Fatal Attraction ist ein Musterbeispiel - wird beinahe automatisch zum Kassenschlager, vorausgesetzt, daß die Werbung richtig läuft. Und genau diesen Zweck erfüllt das Einstufungssystem.

Im Jahre 1987 erhielten 61 Prozent aller vorgelegten Filme ein „R“ und waren auch ganz bewußt auf diese Einstufung zugeschnitten. Dazu Sam Grogg: „Manche Filmemacher müssen sich ganz schön anstrengen, um ihr 'R‘ zu bekommen.“ Mit anderen Worten: Es geht nicht nur darum, ungeeignete Szenen wegzulassen, sondern genau die richtigen Sachen einzubauen. Wer sich zum Beispiel schon einmal gefragt hat, was ein Ausdruck wie „Penis-Atem“ in dem Skript von Steven Spielbergs ansonsten harmlosen Film E.T. zu suchen hat, der sollte daran denken, daß nicht einmal Kleinkinder heute einen „G„-Film sehen wollen. Wie Filme eingestuft werden - oder: Wer sitzt in dem

Ausschuß?

Das Einstufungssystem tritt in dem Moment in Aktion, wo ein Film fertiggestellt ist und der Regisseur ihn dem Ausschuß des Classification and Ratings Association (CARA - eine Unterabteilung der Motion Picture Association of America) vorlegt, dessen Mitglieder von dem Ausschußvorsitzenden Richard Heffner bestimmt und vom MPAA-Präsidenten Jack Valenti abgesegnet werden.

In der Regel hat dieser Ausschuß sechs bis neun Mitglieder, je nach Umfang der Arbeiten. Gegenwärtig sind es acht Männer und Frauen unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Religions- und Rassenzugehörigkeit (darunter zur Zeit keine Asiaten) und aus unterschiedlichen geographischen Regionen. Alle sind Eltern von Kindern. Sie bleiben anonym und sind nur Heffner und der MPAA verantwortlich, also einer privaten und keiner Regierungsinstitution.

Wenn der Ausschuß einen Film begutachtet und eine entsprechende Einstufung verkündet hat, haben die Filmemacher drei Möglichkeiten: Sie können die Einstufung akzeptieren und Verhandlungen mit Verleihfirmen aufnehmen; sie können den Film neu schneiden und dem CARA-Ausschuß eine neue Fassung vorlegen; oder sie können auf Änderungen verzichten und Einspruch gegen die Einstufung einlegen.

Die Kosten des Verfahrens, die vom Regisseur und vom Produzenten getragen werden, variieren je nach Budget der Filmproduktion und Jahreseinkommen des produzierenden Studios. Die Gebührenordnung gilt für MPAA-Mitglieder und unabhängige Produzenten gleichermaßen, obwohl die größeren, wohlhabenderen Studios höhere Gebühren zahlen. „Es ist noch nie vorgekommen“, so Heffner, „daß jemand eine Einstufung wollte und sie nicht bekommen hat, weil er oder sie das nötige Geld nicht hatte.“

Der Berufungsausschuß besteht aus neun Vertretern von Filmstudios, die Mitglieder der MPAA sind, acht Vertretern des Nationalen Verbandes der Kinobesitzer (National Association of Theatre Owners - NATO), vier unabhängigen Mitgliedern sowie Jack Valenti. Eine Zweidrittelmehrheit ist erforderlich, um eine einmal ausgesprochene Beurteilung aufzuheben; bei einer einfachen Mehrheit hat der Regisseur das Recht, erneut Berufung einzulegen. Die Entscheidung der zweiten Berufungsinstanz ist dann endgültig.

Allerdings gibt es für die Filmemacher noch eine weitere Alternative. Sie können entweder die Einstufung prinzipiell ablehnen oder ihren Film gar nicht erst zur Beurteilung vorlegen. In diesem Falle müssen sie mit einem nichteingestuften Film zu den Verleihern gehen, wobei solche Filme - ebenso wie „X„-Filme - von den meisten Kinos in der Regel nicht angenommen werden und auch einige Videoshops, die zunehmend zu einem wichtigen ökonomischen Faktor geworden sind, sich weigern, diese Filme in ihr Programm aufzunehmen.

Seit der Empfehlung der Meese-Commission für verstärkte Restriktionen für sexuelles Material haben zahlreiche Gemeinden, besonders in den Südstaaten, Bestimmungen erlassen, die das Zurschaustellen von nichteingestuften Filmen untersagen. Ausnahmen sind dabei nicht zugelassen. In diesen Gemeinden wird zum Beispiel Jane Fondas Workout -Video, das nicht mit einer Einstufung versehen ist, nur unter dem Ladentisch gehandelt. Die Richtlinien der MPAA - oder: Die offizielle Story

Nach den Informationen der MPAA haben die einzelnen Einstufungen folgende Bedeutung:

G - ein „Minimum“ an Gewalt; keine Nacktdarstellungen, Sex oder Drogen

PG - ein gewisses Maß an vulgärer Sprache; wenige kurze Nacktdarstellungen; wenige Gewaltszenen; aber keine Drogen, keine „gehäuften Horror- oder Gewaltszenen“ und keine direkten Sexszenen

PG-13 - wenige, „nicht sexuell orientierte“ Nacktdarstellungen; wenige Gewaltszenen, die aber nicht „brutal oder ausgedehnt“ sein dürfen. Jede Darstellung von Drogen (wobei Koffein, Nikotin und Alkohol nicht als Drogen zählen) und die einmalige Verwendung eines „sexuell abgeleiteten Begriffs“ als Kraftausdruck hat ebenfalls die Einstufung PG-13 zur Folge

R - Besucher unter 17 Jahren müssen von einem Elternteil oder einer anderen erwachsenen Aufsichtsperson begleitet sein. Mit „R“ eingestufte Filme dürfen enthalten: „grobe“ Sprache, „brutale“ Gewalt, Drogengebrauch, Nacktdarstellungen, Liebesszenen, aber keine eindeutigen Sexszenen. Außerdem macht die mehrfache Verwendung von „härteren, sexuell abgeleiteten Begriffen“ als Kraftausdruck die Einstufung „R“ erforderlich ebenso wie die einmalige Verwendung solcher Ausdrücke „im sexuellen Zusammenhang“

X - „Nicht freigegeben für Besucher unter 17 Jahren. Dabei ist allerdings festzuhalten, daß ein 'X‘ nicht unbedingt mit Obszönität oder Pornographie gleichzusetzen ist..., das haben die zuständigen Gerichte zu entscheiden... Solche Filme können eine Anhäufung von auf Sex bezogenen Dialogen, eindeutige Sexszenen oder auch übermäßige und sadistische Gewaltszenen beinhalten.“

Variabel anwendbare Regeln

Was auch immer die MPAA-Richtlinien für den Leser, für einzelne Eltern oder auch für die Einstufungskommission bedeuten mögen - hier ein Überblick darüber, was sie für die Filme in den letzten Jahren bedeutet haben (wenn für einige Informationen hier keine Quellen genannt werden, dann nur, um zu verhindern, daß die betreffenden Informanten ihren Job nicht verlieren): Nacktheit, weibliche: auch bei kurzen Aufnahmen des weiblichen Körpers oberhalb der Gürtellinie ist die Einstufung als „PG-13“ möglich, aber die Kamera darf keinesfalls auf die Bereiche unterhalb der Hüften gerichtet werden, sonst gibt es automatisch ein „R„; wiederholte oder längere Aufnahmen von nackten Körpern werden ebenfalls mit einem „R“ belohnt. Nacktheit, männliche: „PG-13“ kann man getrost vergessen. Sehr kurze Frontalaufnahmen gelten als „R„; alles, was länger dauert als einen Moment, erhält automatisch ein „X und machen Sie sich keine Hoffnungen“, wie Sam Grogg es formulierte. Ein nacktes Gesäß ist schon ein komplizierterer Fall. Im letzten Jahr mußten in der Liebesszene von Angel Heart ein paar Sekunden von Mickey Rourkes Hinterteil geschnitten werden, um die Einstufung von „X“ auf „R“ zu korrigieren. Andererseits gab es im Falle von About Last Night keinen Einspruch gegen Rob Lowes Hintern, der auf Demi Moore herumhopste. Angel Heart enthält eine ganze Menge Gewaltszenen, und in der Liebesszene tropft imaginäres Blut von der Zimmerdecke. Manch einer mag das bizarr oder auch anstößig finden, aber wird die Sache dadurch besser, daß man das Hinterteil beschneidet? Mein Vorschlag: Da Rourkes Arsch offensichtlich nicht genehmigungsfähig ist, sollte er sich bei der nächsten Nacktszene vielleicht von Lowe doubeln lassen. In einer Liebesszene von Patty Rocks ist die Kamera am Fußende des Bettes postiert und zeigt John Jenkens Hintern zwischen den Knien der Dame. Urteil: Unmöglich - entweder wird die Szene durch eine Aufnahme von der Seite ersetzt oder ein „X“ ist fällig. Soviel zur Missionarsstellung. Der reißerisch angelegte Film Class of '84 hatte einige Probleme, bis er ein „R“ bekam. Und was wurde herausgeschnitten? Drei der eindeutig sexbezogenen Hüftbewegungen. „Aus einer Sexszene mit fünf Stößen wurde eine mit dreien.“ Es leuchtet mir natürlich ein, daß das ein riesiger Unterschied ist. Sexszenen sind für die Beurteilung nicht nur im Hinblick auf das, was gezeigt wird, wichtig, sondern auch, wie lange es gezeigt wird. Zu lange ist einfach eine zu heiße Sache, und damit ist ein „X“ fällig. Aber was ist zu lange? In einigen Fällen sind es 24 oder 48 Bilder - mit anderen Worten: eine oder zwei Sekunden. Und noch einmal Ärger mit Hinterteilen: Fassbinders letzter Film Querelle zeigt nicht nur Homosexualität und küssende Männer, sondern auch Brad Davis‘ Geschlechtsteile zeichnen sich wiederholt und deutlich unter seiner Unterhose ab; darüber hinaus ließe sich „die gesamte Dekoration als erigierter Penis“ auffassen, wie ein Manager der Filmgesellschaft es formulierte. In einer Szene, die nur die oberen Körperhälften zeigt, praktiziert Davis Analverkehr mit einem anderen Mann. Man sieht, wie dieser Typ sich in die Hand spuckt, um sich zu befeuchten, und dann hinter Davis in Stellung geht. Und was mußte geschnitten werden? Das lächelnde Gesicht von Davis, als die beiden fertig sind. Nach der Logik der MPAA darf man es tun, aber man darf keinen Spaß daran haben. Aber auch das gilt nicht immer... In dem Film Crimes of Passion ist Kathleen Turner tagsüber eine respektierte Geschäftsfrau und nachts eine Prostituierte, die einem ihrer Kunden (einem dienstfreien Polizisten) zu ein wenig Analsex verhilft. Die Entscheidung: Entweder die Szene wird geschnitten oder der Film bekommt ein „X“. In demselben Film bekam der Ausstatter Schwierigkeiten, weil er den Fehler beging, Kathleen Turners Appartement mit Postern von Aubrey Beardsley zu dekorieren, in denen nackte männliche Figuren zu sehen sind. Die Drucke, die im übrigen in vielen Museen hängen und für Besucher jeder Altersgruppe offen zugänglich sind, mußten verschwinden. In The Last Emperor („Der letzte Kaiser“), Bertoluccis aufwendiger Film über die Geschichte Chinas im 20. Jahrhundert, sieht man, wie ein in der Filmindustrie arbeitender Freund von mir es formulierte, „zwei nackte Brüste in einer Szene, in der ein Kind gesäugt wird, ein paar Sekunden einer lesbischen Liebesbeziehung, eine ein oder zwei Sekunden lange, ziemlich anschauliche Sterbeszene sowie den Gebrauch von Opium.“ Columbia Pictures wollte den Film als „PG-13“ eingestuft haben und machte sich Sorgen wegen der Lesbenszene, der wenn auch kurzen Todesszene und vielleicht auch wegen der Brüste. Es stellte sich dann heraus, daß das Opium das eigentliche Problem war, obwohl der Film eindeutig gegen die Droge Stellung bezieht und deutlich macht, daß Opium das Leben der Betreffenden zerstört. Columbia erhob gegen die Beanstandung Einspruch mit der Begründung, es handele sich um einen Geschichtsfilm über China - das könne doch wohl nicht wahr sein. Ergebnis: Columbia setzte sich durch. Der Konflikt zwischen Columbia und dem Einstufungsausschuß über The Last Emperor hatte seine Ursache in der „automatischen Drogen-Klausel“, die ein „PG-13“ für jeden Gebrauch von Drogen und ein „R“ für ausführlichere Darstellungen verlangt. Entsprechend führte die „automatische Sprach-Klausel“ zu folgenden schwachsinnigen Entscheidungen: In White Nights, ein Film zum Thema „Tanz in die Demokratie“ mit Mikhail Baryshnikow und Gregory Hines, kommen drei „F„-Wörter vor, bei denen automatisch ein „R“ fällig gewesen wäre, obwohl der Film keine Nacktszenen oder solche mit Sex, Gewalt oder Drogen enthält. Das Filmstudio beschränkte sich schließlich auf nur ein Wort und ein Flüstern, um die Einstufung „PG-13“ zu erreichen. In Murphy's Romance, einem Film für die ganze Familie, fragt Sally Fields Exehemann ihren neuen Freund (James Garner): „Fickst Du Erna?“ Und Garner antwortet: „Wenn es so wäre, würde ich dieses Wort jedenfalls nicht benutzen.“ Hier wird ein „F„-Wort im Zusammenhang mit Sexualität benutzt, und damit ist ein „R“ fällig, obwohl es in dieser Szene gerade darum geht, daß dieses Wort gemein und erniedrigend ist und man es nicht benutzen sollte. Der Dialog mußte umgeschrieben werden. Einige Filmemacher sind zu der Einschätzung gekommen, daß diese automatische Sprach-Klausel keinen entscheidenden Beitrag zur geistigen und moralischen Gesundheit in unserem Lande leistet, und fordern sie in ihren Drehbüchern immer wieder heraus.

Als Dustin Hoffman und Warren Beatty in dem Film Ishtar den Bösen endlich eins auswischen können, ruft Hoffman „Fuck you“. Beatty sollte es ihm gleichtun, aber es gibt Gerüchte, denen zufolge Beatty schon immer in einem Film zweimal (englisch: twice) „fuck“ sagen wollte, ohne dafür ein „R“ zu kassieren. Also rief er in dieser Szene von Ishtar „Fuck you twice“ und kam auch tatsächlich damit durch.

In The Couch Trip hat Dan Aykroyd, ähnlich wie Dr. Ruth, ein Radioprogramm mit Hörerbeteiligung. In der Sendung benutzt er Wörter wie Penis, Vagina, Arschloch und ficken („fuck“). In der nächsten Szene sieht man, wie sich der Produzent im Technikraum die Haare rauft und brüllt: „Wir kommen wahrscheinlich mit Penis und Vagina als anatomischen Ausdrücken durch, vielleicht auch mit Arschloch, aber was machen wir mit dem Wort 'ficken‘?“ Das war natürlich eine direkte Herausforderung an die Adresse der MPAA wie auch der Federal Communications Commission, die in Fernsehen und Rundfunk auf „Sauberkeit und Anstand“ achtet. Die Einstufungskommission gab dem Film ein „R“. Und da sagen die Leute, Feministinnen hätten keinen Sinn für Humor.