Gedämpfter Jubel in der Oberpfalz

In strahlendem Sonnenschein drehen sich auf der WAA -Großbaustelle die Baukräne, und der Beton für den Bau des Modul-Teststands fließt, als wäre nichts gewesen. Doch das Leben hat sich seit Mittwoch abend in der ganzen Oberpfalz entscheidend verändert. Wie ein Lauffeuer hat sich die Kunde verbreitet, daß das Aus für das Jahrhundertprojekt „Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf“ unmittelbar bevorsteht. Noch in der Nacht knallen am Bauzaun die ersten Sektkorken, Feuerwerkskörper werden abgeschossen.

Die Kioskbesitzerin im Schwandorfer Hauptbahnhof findet die Entwicklung „wunderbar“, die Bäckersfrau in Wackersdorf „einfach super“. Selbst die Politesse, die in Schwandorfs Innenstadt gerade den Kugelschreiber für den nächsten Strafzettel zückt, ist zufrieden. So wie viele hat die Zeitschriftenhändlerin in Wackersdorf nie geglaubt, daß die WAA jemals in Betrieb gehen wird. „Alle die Leute, die sie mit Versprechungen auf Arbeitsplätze hergelockt haben, sind doch verheizt worden.“ Das werde Folgen für die CSU haben: „Das kostet die Schwarzen den Kopf in Bayern.“

Aus der ganzen BRD rufen Leute an, um der Bürgerinitiative zu gratulieren. Doch die will an ein endgültiges „Aus“ noch nicht ganz glauben. Antonie Wenzken, 65jährige Schwandorfer Hausfrau und seit Jahren im Widerstand aktiv, hat „unheimliche Angst“ davor, daß aus der WAA ein Zwischenlager wird und dann die Atomtransporte durch die Oberpfalz rollen. „Wir müssen weiterkämpfen“, heißt deshalb ihre Devise. Neue Zielobjekte sind dabei nicht nur die Atomtransporte, sondern auch die Verlagerung der WAA nach La Hague. Irene Maria Sturm, Sprecherin der Schwandorfer BI, sieht in der Entwicklung nur „einen halben Erfolg“, schließlich sei man gegen die ganze Wiederaufbereitungstechnologie - „ob hier oder anderswo“.

Daß sowohl Bayerns Umweltminister Dick als auch Wackersdorfs SPD-Bürgermeister Josef Ebner ein Zwischenlager strikt ablehnen, (nach dem Motto „Alles oder gar nichts“) zerstreut kaum die Ängste bei WAA-GegnerInnen. Der vehemente WAA-Befürworter Ebner kündigt schon an, auf den einstimmigen Gemeinderatsbeschluß zu pochen, wonach im Taxöldener Forst kein Zwischenlager entstehen dürfe. Über seine persönliche Enttäuschung über das mögliche Aus für die WAA will Ebner ebensowenig reden wie über die Zukunft von Wackersdorf. Die Gemeinde ist durch mehrere als Gewerbesteuervorauszahlungen deklarierte zinslose Darlehen gegenüber der WAA -Betreiberfirma DWK hoch verschuldet.

Die Wut und Enttäuschung der WAA-Befürworter richtet sich jetzt weniger gegen die Gegner der Anlage, als gegen deren Betreiber: „Die sollen jeden Pfennig, den sie im Wald verbaut und verdient haben, einzeln zurückzahlen“, fordert ein 52jähriger Schwandorfer, für den die WAA eine Hoffnung für die Oberpfalz dargestellt hat. Die Wackersdorfer Filiale der DWK macht auf Zweckoptimismus: „Einen Baustopp wird es nicht geben“, kündigte DWW-Sprecher Mühlberger trotzig an und verweist auf die bisherigen Investitionen.

Die insgesamt im Taxöldener Forst bislang verbauten 2,6 Milliarden DM bremsen auch die Euphorie so manches WAA -Gegners. Viele befürchten, daß auf der Baustelle wohl nichts Besseres nachkomme. Atomares Zwischenlager, Flugplatz, Kaserne und Munitionsdepot sind im öffentlichen Gespräch. Der Vorschlag des grünen Bundestagsabgeordneten Wolfgang Daniels, der Maxhütte den Auftrag zu erteilen, den 13 Millionen DM teuren Spezialstahl einzuschmelzen und daraus Windkraftwerke zu bauen, dürfte wohl keine Chance der Realisierung besitzen.

SPD-Landrat Hans Schuierer favorisiert neben dem Flugplatz die Wiederaufforstung des Geländes. So steht es laut Bürgermeister Ebner auch in dem mit der DWK abgeschlossenen Kaufvertrag. „Ich habe lange auf diesen Tag gewartet“, gesteht Schuierer. Er müsse jetzt wohl seine CSU-Kollegen trösten, die „die Köpfe hängen lassen“. Bei der Aufforstung würden dann alle WAA-GegnerInnen mithelfen. Die Frage, was man nach dem Aus für die WAA anstatt der allwöchentlichen Sonntagsspaziergänge tun solle, war bei der Sitzung des Dachverbands der Oberpfälzers Bürgerinitiativen gegen die WAA schnell beantwortet: „Wir pflanzen dann Bäume.“

Doch soweit ist es noch lange nicht. Die BI fordert zunächst einen sofortigen Baustopp, dann „sofort niederreißen und anpflanzen“. Ihrer Meinung nach ist es nur dem entschlossenen Widerstand zu verdanken, daß das Projekt WAA jetzt so schnell fallengelassen werde. „Das gibt uns einen gewaltigen Auftrieb“, so Michael Wilhelm von der BI Schwandorf. Um dies zu dokumentieren, erwartet die BI für eine Demonstration am Roten Kreuz (Sonntag, 15 Uhr) direkt am Bauzaun etwa 10.000 WAA-GegnerInnen. Das Motto ist eindeutig: „Die Ratten verlassen das sinkende Schiff Baustopp sofort!“

Bernd Siegler