Erste Atommülltransporte von Gericht vorerst gestoppt

Verwaltungsgericht Lüneburg untersagt die sofortige Inbetriebnahme des Castor-Lagers in Gorleben / Entscheidung in der Hauptsache bis zum 30. April  ■  Von Ute Scheub

(Hamburg/taz) - Buchstäblich in letzter Minute sind die ersten Transporte von hochradioaktivem Atommüll nach Gorleben gestoppt worden. Auf einen Eilantrag von Andreas Graf von Bernstorff und weiteren Mitgliedern der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg hin untersagte das Verwaltungsgericht Lüneburg gestern morgen die sofortige Inbetriebnahme der Castor-Halle im Zwischenlager Gorleben. Zur gleichen Zeit sollte nach Informationen der Bürgerinitiative der erste Transport von abgebrannten Brennelementen in sogenannten Castor-Behältern wahrscheinlich aus dem AKW Stade losgeschickt werden.

Der Gerichtsspruch gilt jedoch nur vorläufig. In der Hauptsache will die Kammer bis spätestens 30. April entscheiden. Bis dahin gilt die aufschiebende Wirkung der Klage des Grafen.

Der Rechtsstreit um die Inbetriebnahme ist seit Fertigstellung des Lagers im Jahre 1984 anhängig. Die klagenden Anwohner, vertreten durch die Anwälte Reiner Geulen und Nikolaus Piontek hatten unter anderem geltend gemacht, daß es praktisch keine Sicherheitsvorkehrungen gibt. Wenn ein Castor-Behälter mit dem radioaktiven Inventar mehrerer Hiroshima-Bomben kritisch wird, bestehe letztlich keine Möglichkeit, die radioaktive Strahlung zurückzuhalten. Außerdem sei das Zwischenlager ohne atomrechtliches Verfahren und ohne Bürgerbeteiligung nach den Bestimmungen der Niedersächsischen Bauordnung „wie ein Kuhstall“ errichtet worden. Im März 1985 ordnete das Verwaltungsgericht dann einen Betriebsstopp für die Anlage an, der nach einem rechtlichen Hin und Her nunmehr bis zur Entscheidung in der Hauptsache weiterbesteht.

Die Antragsgegnerin in diesem Verfahren, die Physikalisch -Technische Bundesanstalt (PTB) als Genehmigungsbehörde für Castor-Lagerung und -transporte hat sich diese Prozeßniederlage selbst zuzu Fortsetzung Seite 2

schreiben. Mit der telefonischen Ankündigung der bevorstehenden Castor-Transporte hatte sie nämlich

den stillen Konsens durchbrochen, daß solange keine Transporte rollen, bis zumindest der gleichfalls anhängige Streit um die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts entschieden ist.

Die Anwälte halten es im übrigen für sehr bedenklich, daß die Betreiberfirma des Zwischenlagers, die Brennelemente -Lagergesellschaft „unter den Augen und mit Genehmigung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt“ die Inbetriebnahme vorbereitet, „ohne das Gericht oder die Kläger hierüber zu informieren“. Nur der „Wachsamkeit der Anwohner“ sei es zu verdanken, daß das verhindert werden konnte. Geulen und Piontek haben deshalb gestern bei Bundesumweltminister Töpfer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Bundesanstalt erhoben.