Frankreichs Rechte treibt Pille ab

Französische Firma stoppt vorläufig Produktion der „Abtreibungspille“ / „Keine medizinischen Gründe“, sondern Angst vor öffentlicher Reaktion / Kirchenfürsten „zufrieden“ / „Bewegung für Familienplanung“ protestiert / Zog Hauptaktionär „Hoechst“ die Bremse?  ■  Von G.Blume/H. Lukoschat

Paris/Berlin (taz) - War alle Aufregung um die Abtreibungspille, eine der umstrittensten pharmazeutischen Entdeckungen der achtziger Jahre, umsonst? Am Mittwoch überraschte die französische Herstellerfirma Roussel Uclaf die Öffentlichkeit mit der Verlautbarung, ab sofort werde die Abtreibungspille „nicht mehr zur Verfügung gestellt“. Diese Entscheidung, so hieß es, habe man vor dem Hintergrund „der öffentlichen Erregung in Frankreich und dem Ausland“ getroffen. Ausdrücklich betonte er, daß medizinische Gründe keine Rolle gespielt hätten.

Erst am 23.September dieses Jahres hatte der französische Gesundheitsminister die bei Roussel Uclaf entwickelte Abtreibungspille RU486 genehmigt. Wenig später gab die chinesische Regierung bei Roussel Uclaf eine Großbestellung für das neue Produkt auf.

Die positive Resonanz gründete sich auf ein in diesem Jahr erstelltes Gutachten des in Frankreich sehr angesehenen „Nationalen Komitees für Ethik“, das aufgrund unabhängiger medizinischer Untersuchung den Gebrauch der Pille in den vorgesehenen Spezialkliniken befürwortet hatte. Entsprechend protestierte gestern die „Französische Bewegung für Familienplanung“, vergleichbar der bundesdeutschen Pro Familia, gegen den Entscheid von Roussel Uclaf. Es handele sich um einen „neuen Angriff der konservativ-religiösen Kräfte“. Demgegenüber äußerte sich der französische Erzbischof Decourtray befriedigt.

Im Gegensatz zu Frankreich hatten in der Bundesrepublik Vertreterinnen feministischer Gesundheitsprojekte die „Abtreibungspille“ mit Skepsis beurteilt. Die RU486 sei eine „Hormonbombe“, deren gesundheitliche Risiken noch nicht abschätzbar wären. Gewarnt wurde auch vor der Gefahr des Mißbrauchs in den Ländern der Dritten Welt. Roussel Uclaf hatte sich dort den wichtigsten Markt versprochen.

Unterdessen verwiesen Mitarbeiter von Roussel Uclaf, die anonym bleiben wollten, auf den Hauptaktionär der Firma, den bundesdeutschen Chemiekonzern Hoechst. Das Hoechst -Unternehmen hätte möglicherweise vor Boykottdrohungen der US-amerikanischen und bundesdeutschen Anti -Abtreibungsbewegung zurückgeschreckt.

Das französische Pharmaunternehmen Roussel-Uclaf hat gestern überraschend in Aussicht gestellt, das Abtreibungsmedikament RU486 dann anzubieten, wenn die Protestwelle abgeflaut ist.