Stubenrein

■ Haustiere und Jagdtrophäen: aufgemotzt für die Ewigkeit

Berliner Tierhaltern sind keine Grenzen gesetzt. Nach dem Motto „ewig mein“ ist der Tod ihres Lieblings nicht unbedingt ein Grund fürs Auseinandergehen. Die Trennung dauert nur einige Wochen, so lange wie der Tierpräparator braucht, um die Lebensgefährten auszustopfen. Katzen, Hunde, Kanarienvögel, Igel, Schildkröten und Meerschweinchen beispielsweise werden hergerichtet für einen Ehrenplatz auf der Kommode.

Präparator Michael Weiß hat durchaus Verständnis für die Treue der Kundschaft. „Jedes Tier ist individuell und ein neues, lebendiges kein Ersatz.“ Und sein Gehilfe Georg fügt hinzu, während er ausdauernd das Fell eines Nagers mit einer Zahnbürste glättet: „Wenn man ein so langes Stück gemeinsam durchs Leben gegangen ist, ist es doch schön, wenn man die Katze noch mal streicheln kann.“

Die Haustierliebhaber stellen nur einen kleinen Anteil der Kundschaft, denn 75 Prozent der Viecher werden als Requisiten ausstaffiert. Löwen, Hirsche, Krokodile und Tiger, die hier herumstehen, werden für Film- und Fernsehauftritte hergerichtet. Alltägliche und rare Tiere werden für Schulen, Museen und Jagdvereine bearbeitet.

Die Berliner Jagdfreuden sind eingeschränkt und daher landet statt beliebtem Hirschgeweih ersatzweise die halbierte Fischtrophäe mit Holzbrett an der Wand oder im Ganzen als Freischwinger im Raum.

Im vollgepfropften Ausstellungsraum sind eher Exoten vertreten, Elch- und Löwenköpfe mit offenem Maul und glänzender Zunge, ein ausgewachsener Braunbär, Flamingos, Papageien, seltene Raubvögel kreisen an der Decke, Fuchs und Gans nebeneinander, Jäger und Gejagte zum friedlichen Stelldichein plaziert und mitten in der heimischen Tierwelt

-eine Hauskatze.

„Vorsicht, Vorsicht! Nichts anfassen“, mahnt der Chef von der Werkbank. Zur Konservierung werden die toten Tiere abgebalgt, die Haut säuberlich vom Fleisch abgetrennt, Fett und Gewebe entfernt, damit der Marder madenfrei bleibt, Beine oder Flügel abgeknapst, gedrahtet und alle Einzelteile wieder zusammengefügt. Bis zur Fuchsgröße werden die Tiere mit Holzwolle ausgestopft, für größere Exemplare dient eine dermoplastische Mischung aus Gips und Sackleinen zur Auffüllung. Nicht nur Geduld, sondern auch Tierkenntnis ist erforderlich. Wollen die Ausstopfer die Wünsche der Kunden befriedigen (niedlich-zahm oder wild mit fletschenden Zähnen), dann müssen sie wissen, wie sich die Tiere bewegen, wo ihre Muskeln sitzen. Michael Weiß kann ihnen ein naturgerechtes Aussehen verpassen, denn er ist nicht nur ausgebildeter Ausstopfer, sondern auch Ornithologe, Falkner und Jäger.

In der Werkstatt hat er ein Sammelsurium aus dem Tierreich angehäuft, Singvögel und Nagetiere sind gestapelt, dazwischen ein kostbarer Eisvogel unter der Glashaube, Kisten voller Bockshörner, Skorpione aufgespießt zur Dutzendware. Stolz präsentiert der Präparator ein „scharfes Gerät mit geilen Krallen“. Dracula läßt grüßen, der Flugfuchs wurde für eine Filmproduktion verewigt. Vorsichtig prüft Weiß die gespreizten Flügel des Verwandten der Fledermaus. Nach drei Wochen müßten auch die Weichteile der dickeren Hautpartien getrocknet sein. Wir sehen nur den sauberen Teil der Arbeit, stützende Nadeln werden entfernt, das Ohr bleibt steif, nachdem die Tonmasse entfernt ist. Dann beugt sich der Ausstopfer über das Tier und schnüffelt „Hier auf der Brust, eine unvergleichliche Duftmarke, der stinkt wie ein Ochse. Wolln se ma riechen?“

Petra Schrott