Friedensträume ohne Chancen

■ Der Krieg um Angola wird durch die Verhandlungstaktik Südafrikas und der USA verlängert

Der „schmutzige Krieg in Angola“ ist seit Montag Thema der vierten Verhandlungsrunde von Vertretern der USA, Südafrikas, Angolas und Kubas in New York. Der von den Gesprächen ausgeschlossene UNITA-Chef Jonas Savimbi, der seit 13 Jahren mit Hilfe Südafrikas und den USA seine Landsleute terrorisiert, wird derweilen im Bundeskanzleramt hofiert. Parallel zu dem diplomatischen Tauziehen eskaliert an der angolanisch-namibischen Grenze der Krieg. Allerdings benutzen die Südafrikaner die Nordregion Namibias nicht nur als Aufmarschgebiet für ihre Truppen, sondern auch als Verhandlungsmasse im diplomatischen Verwirrspiel.

„Noch nie haben die Südafrikaner so direkt den Kampf mit uns gesucht wie in den letzten Wochen, seitdem verhandelt wird. Ich denke, die wollen, daß wir hier bleiben.“ Die Einschätzung des jungen kubanischen Offiziers widerspricht zwar der offiziellen Verhandlungsposition des Apartheid -Regimes im Angola-Konflikt, wird aber durch das militärische Verhalten der Südafrikaner bestätigt. Denn vom Abzug der rund 40.000 kubanischen Truppen aus Angola machen die Apartheid-Strategen den Abzug der eigenen Truppen aus Angola und ein Ende der 67 Jahre alten Besatzung Namibias abhängig. Dennoch forcierten sie vor allem im letzten Jahr ihre Angriffe auf die angolanisch-kubanischen Verbände. In den vergangenen Wochen bauten sie zudem die an Angola grenzende namibische Nord-Provinz Ovambo-Land weiter zu einer Festung aus. Zusätzlich werden zur Zeit Tausende südafrikanischer Soldaten sowie Panzer- und Artillerieverbände in das dicht besiedelte namibische Homeland verlegt. Zum Teil überqueren die schwerbewaffneten Verbände bereits die Grenze in den Südwesten Angolas, um den Vormarsch der angolanisch-kubanischen Truppen zu stoppen.

Heiß umkämpft ist der Calueque-Wasserstaudamm, der ungefähr 30 Kilometer von der Grenze entfernt den Fluß Cunene in Angola staut. Bei Gefechten in der Nähe des Wasserreservoirs zerstörten vorletzte Woche kubanische und angolanische MiG -23 Kampfflugzeuge Teile des Staudamms, der rund 80 Prozent des Wassers für die namibische Ovambo-Provinz liefert. Anfang der 70er Jahre waren die Kolonialmächte Südafrika und (damals noch) Portugal übereingekommen, die trockene Nordregion des von Südafrika besetzten Namibias mit Wasser aus dem Stausee zu versorgen. Nach dem Angriff der Kubaner und Angolaner, den die Südafrikaner durch einen massiven Beschuß der angolanisch-kubanischen Front provoziert haben sollen, ist inzwischen die Wasserversorgung des Ovambo-Lands stark gefährdet. Von dem entstandenen Wassermangel am meisten betroffen sind allerdings die südafrikanischen Truppen, da die Bewohner des Homelands zum größten Teil in abgelegenen Gegenden leben, die ohnehin nicht mit der Wasserleitung des Staudamms verbunden sind.

Bei den Kämpfen sind nach südafrikanischen Angaben zwölf weiße Südafrikaner und 200 Angolaner und Kubaner, nach angolanischen Angaben 26 Südafrikaner und acht Kubaner gefallen.

Einwohner des namibischen Grenzstädtchens Oshakati, in dem die südafrikanischen Truppen ihr Hauptquartier eingerichtet haben, berichten über zahlreiche südafrikanische Transportflugzeuge, die in den letzten Wochen Richtung Staudamm geflogen sind. Lange Kolonnen von Militärtransportern sollen den Zivilverkehr auf der Hauptstraße Richtung Norden zum Erliegen gebracht haben. Nach der Ladung der LKWs zu urteilen, bereiten sich die südafrikanischen Streitkräfte auf einen großangelegten konventionellen Krieg vor. Die letzten 22 Jahre hatten sie in der Region eher einen Anti-Guerilla-Krieg gegen die namibische Befreiungsbewegung SWAPO geführt.

Entscheidend für die Schwierigkeiten der Südafrikaner in den letzten Wochen ist der Verlust der Luftüberlegenheit. MiG-23 der angolanisch-kubanischen Luftwaffe wurden beobachtet, wie sie 100 Kilometer hinter der namibischen Grenze Aufklärungsflüge unternahmen.

John Evenson vom Namibischen Informationszentrum in London befürchtet, daß die Südafrikaner sich in den letzten Wochen ganz gezielt aus dem Südwesten Angolas zurückdrängen ließen, um den Krieg auf den dichtbevölkerten Norden Namibias zu konzentrieren. Er hält es für möglich, daß die Südafrikaner mit dem mörderischen Sperrfeuer aus ihren G-5-Haubitzen von namibischem Gebiet aus die Angolaner und Kubaner zu Gegenschlägen provozieren wollen. Angriffe der angolanisch -kubanischen Truppen auf südafrikanische Militärstellungen in Namibia hätten aber zwangsläufig hohe Verluste bei der Zivilbevölkerung zur Folge. Der Weltöffentlichkeit, allen voran den Amerikanern, könnte das Apartheid-Regime sich dann als Beschützer der namibischen Bevölkerung anpreisen.

Vor allem würde es Botha helfen, den Druck zu vermindern, den die US-Regierung auf ihn ausübt, um im Angola-Konflikt zu einer Lösung zu kommen. Denn bislang scheiterten alle Verhandlungslösungen daran, daß die Südafrikaner Namibia nicht freigeben wollen. Die Verwirklichung der UN-Resolution 435, die freie Wahlen in Namibia unter UN-Aufsicht vorsieht, ist schließlich eine der Hauptforderungen der Angolaner bei den derzeitigen Gesprächen. Daß sich daran nichts ändert, dafür sorgt nicht zuletzt die namibische Befreiungsbewegung. Die SWAPO führt seit 22 Jahren von angolanischem Gebiet aus einen meist erfolglosen Guerillakrieg gegen die Besatzer ihres Landes. Doch angesichts der militärischen Erfolge in den letzten Wochen, an dem auch SWAPO-Truppen beteiligt waren, drängen SWAPO-Offiziere jetzt darauf, den gemeinsamen Vorstoß bis nach Namibia hinein fortzusetzen, um die Südafrikaner endlich zu vertreiben. Die Angolaner hingegen scheinen die südafrikanische Falle erkannt zu haben. Angolas Präsident Dos Santos beruhigte letzte Woche: Seine Truppen würden die Grenze nicht überschreiten.

Trotzdem kann ein solcher Vorstoß nicht ausgeschlossen werden. Den Südafrikanern ist es oft genug gelungen, militärische Anschläge zu provozieren, die ihnen anschließend halfen, unerwünschte diplomatische Initiativen schnell wieder loszuwerden. Sollten sie auch dieses Mal ihr Ziel erreichen, meint Evenson, werden die Südafrikaner mit ihren im Norden Namibias konzentrierten Truppen versuchen, die in den letzten Wochen aufgegebenen Gebiete in Südwest -Angola zurückzuerobern. Nicht zuletzt, um den von Südafrika und den USA ausgehaltenen UNITA-Rebellen im Südosten Angolas unter die Arme zu greifen.

Michael Fischer