Die Sharpeville Six wieder vor Gericht?

■ Die Anwälte der zum Tode verurteilten Südafrikaner wollen heute die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen, um die Hinrichtung zu verhindern / Neue Diskussion in der EG über Sanktionen gegen das Apartheid–Regime / Forderung nach Streichung von Lufthansa–Flügen

Von Michael Fischer

Berlin (taz) - Die Anwälte der in Südafrika zum Tode verurteilten „Sharpeville Sechs“ haben angekündigt, sie würden heute die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen. Wie Rechtsanwalt Prakash Diar am Donnerstag gegenüber der taz erklärte, wird damit automatisch die Vollsteckung des Urteils weiter ausgesetzt. Die Hinrichtung war bereits am 17. März um einen Monat verschoben worden. Damals hatte ein Belastungszeuge seine Aussage mit dem Hinweis widerrufen, daß er von der Polizei durch Folter zu der Aussage gezwungen worden war. Die sechs Schwarzen waren 1985 zum Tode verurteilt worden, weil sie nach Überzeugung des Gerichts an Unruhen beteiligt waren, bei denen im September 1984 ein schwarzer Gemeinderat in der Schwarzen Township Sharpeville südlich von Johannesburg gelyncht worden war. Der Oberste Gerichtshof hatte das Urteil Ende letzten Jahres bestätigt, obwohl der Frau und den fünf Männern eine direkte Beteiligung an dem Mord nicht nachgewiesen werden konnte. Diar geht davon aus, daß es erst Ende Mai zu mündlichen Verhandlungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens kommen wird. Erst danach könne ein neuer Hinrichtungstermin festgesetzt werden, falls das Gericht den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ablehnt. Für eine Begnadigung der „Sharpeville Sechs“ setzte sich erneut der französische Präsident Mitterrand ein. Die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Irmgard Adam–Schwaetzer, forderte die EG–Parlamentarier am Dienstag auf, „Vorratsbeschlüsse“ für Sanktionsmaßnahmen gegen Südafrika für den Fall zu fassen, daß das Apartheid–Regime die „Sharpeville Sechs“ wirklich hinrichten läßt. Es sei an der Zeit, härtere Maßnahmen vorzubereiten, da die bisherige Dialog–Strategie gescheitert sei. Seit Wochen brüten die Experten im Auswärtigen Amt über einer neuen Südafrika–Politik, die bis zu der für den 26.April angesetzten Sonderkonferenz der Außenminister der zwölf afrikanischen AKP–Staaten und der EG zu Südafrika auf dem Tisch liegen soll. Diskutiert werden ein Verbot der Landerechte für die südafrikanische Fluglinie, der Abzug des bundesdeutschen Botschafters aus Südafrika und die Verringerung des südafrikanischen Botschaftspersonals in Bonn. Schwaetzers Amtskollege Schäfer dachte immerhin laut über die Idee nach, Lufthansa–Flüge nach Südafrika zu untersagen. Gleich darauf dementierte Schäfer sich selbst. Der Entzug der Landerechte komme allerdings für die südafrikanische Fluglinie dieser Forderung gleich, kommentierte der Vertreter einer Reisegesellschaft die Andeutungen Schäfers. Denn es sei zu erwarten, daß die Südafrikaner der Lufthansa ebenfalls die Landeerlaubnis entziehen würden. Davon wären in erster Linie die rund 180.000 bundesdeutschen Touristen betroffen, die dieses Jahr in das Urlaubsland reisen möchten.