I N T E R V I E W Reagan fütterte die iranische Tötungsmaschine

■ George McGovern, Ex–Präsidentschaftskandidat der Demokraten, zu den Konsequenzen von Irangate

Für den Fall seines Wahlsieges hatte McGovern 1972 einen sofortigen Abzug aller US–Truppen aus Südostasien angekündigt. Der 65jährige Pfarrerssohn aus Süd–Dakota, der damals auszog, für das liberale Amerika das Weiße Haus zu erobern, aber an den Wahlkampftricks und der Popularität seines Rivalen Nixons scheiterte, hält die Irangate–Affäre für Reagans Waterloo. taz: Ihre Präsidentschaftskandidatur 1972 wurde Opfer der schmutzigen Wahlkampftricks ihres Konkurrenten Nixons, der später über die als Watergate– Skandal bekanntgewordenen Wahlkampfmanipu lationen zurücktreten mußte. Was sind die Unterschiede zwischen Watergate und Irangate? McGovern: Watergate war im wesentlichen ein innenpolitischer Skandal. Mit schmutzigen Tricks wie Einbrüchen in das Hauptquartier der Demokratischen Partei oder der Installierung von Abhöranlagen versuchte die Nixon–Mannschaft, ihren Wahlsieg zu garantieren. Im Falle von Irangate verkaufte die Reagan–Regierung Waffen an eine terroristische Regierung und fütterte damit eine Tötungsmaschine, die Tausende von Opfern kostete. Nicht daß ich die Bedeutung des Watergate–Skandals herunterspielen möchte, aber für mich ist Irangate schwerwiegender. Gelder wurden unter Umgehung der Gesetze an die Contras geleitet, um Menschen zu töten. Die drei Pfeiler der US–amerikanischen Gesellschaft, Religion, Wirtschaft und Politik, sind durch die Affären des TV–Evangelisten Bakker, den Bestechungsskandal in Wall Street und Reagans Irangate angeschlagen. Sind die USA an einem Wendepunkt? Das ist möglich. Meiner Meinung nach geht den Rechten der Dampf aus. Die Rückeroberung des Senats durch die Demokraten 1986 war dafür ein Zeichen. Die Krise, in der die TV–Prediger und die Wall Street–Spekulanten stecken, könnte zusammen mit dem ungeheuren Haushaltsdefizit und dem Irangate– Debakel eine Chance für die liberalen Kräfte eröffnen. Ich gehe davon aus, daß die Demokraten 1988 das Weiße Haus und den Kongreß erobern werden. Dies bedeutet nicht unbedingt eine Linkswende, aber zumindest eine Abkehr von dem extremeren Konservatismus der Rechten. Mir scheint, als ob die Irangate–Affäre zu einem Machtkampf zwischen dem Präsidenten und dem Kongreß reduziert wird. Das halte ich für übertrieben. Die politischen Führer sind von einem Antikommunismus besessen, der sie dazu bringt, im Namen der nationalen Sicherheit Gesetze zu brechen. Das Problem ist nicht so sehr der Konflikt zwischen dem Kongreß und dem Präsidenten, sondern die Tendenz von beiden, von Regierung und Kongreß, Fragen der nationalen Sicherheit über Gesetz und Verfassung zu stellen. Die Führung der demokratischen Partei scheint nicht in der Lage zu sein, die geschwächte Position des Reagan–Klans auszunützen. Die Gewerkschaften, die früher eine treibende Kraft in der Demokratischen Partei waren, verlieren an Bedeutung, ebenso die demokratischen Hochburgen im Süden der USA. Gleichzeitig entwickeln sich die Yuppis zu einer mächtigen Kraft innerhalb der Partei. Grundsätzlich ist es aber im amerikanischen System für die Oppositionspartei immer schwieriger, ihre Position klar herauszustellen. Wir haben kein Schattenkabinett oder einen kontinuierlich arbeitenden Parteiapparat. Aber auch im Kongreß haben die Demokraten noch keine klare Alternative entwickelt. Selbst zu Zeiten, wo sie beide Kammern kontrollieren, unterscheidet sich ihre Politik zum Beispiel bei der Contra–Hilfe oder der Rüstungskontrolle nur unwesentlich von der der Republikaner. Ich habe gehört, daß Sie an einem Positionspapier für die demokratische Partei arbeiten. Was sind die zentralen Aussagen? Ich finde, es ist an der Zeit, die Konfrontationspolitik des Kalten Kriegs zu beenden. Dagegen müssen wir meiner Ansicht nach stärker die Gemeinsamkeiten zwischen der Sowjetunion und den USA betonen. Wir können in den Bereichen Rüstungskontrolle, Wirtschaft, Handel, Investitionen und der Dritten–Welt–Problematik stärker zusammenarbeiten. Wollen Sie die wirtschaftliche Vormachtstellung der USA, wie sie in den fünfziger Jahren bestand, wieder herstellen? Die Situation auf dem Weltmarkt hat sich seit damals verändert. Heute ist das größte Problem die Schuldenbelastung der Dritten Welt. Gleichzeitig sind die USA zum größten Schuldnerland geworden. Eine stärkere Unterstützung der Länder der Dritten Welt setzt deshalb voraus, daß wir unser eigenes Defizit bereinigen. Grundbedingung dafür ist, daß wir den Rüstungswettlauf beenden. Dazu schlage ich vor, die Arsenale der Atomwaffen weltweit um 50 Prozent zu verringern und das Rüstungsbudget längerfristig um die Hälfte zu kürzen. Interview: Michael Fischer