Keine Kampfeskraft verschwenden

■ Das Neo–Nazi–Zentrum des Ernst Tag bei Kaiserslautern soll die rechten Kräfte zusammenführen, um unnötige Reibungsverluste zu vermeiden

Heidelberg (taz) - Namen und Adressen der grünen Zeugen in dem oben beschriebenen Verfahren haben die Neo–Nazis in dem „Schulungsbrief“ der rechtsradikalen „Grünen Aktion Deutschland“ veröffentlicht. Herausgeber dieser Publikation ist Ernst Tag, 51jähriger Chemielaborant bei der BASF in Ludwigshafen und eine der zentralen Personen der Neo–Nazi–Szene. Tag, der sich als „Nationaler Sozialist“ bezeichnet, gilt als Sympathisant der verbotenen „Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten“(ANS/NA). Er wird dem Neonazikreis um Curt Müller zugerechnet, der in Mainz–Gonsenheim einen Treffpunkt der rechtsradikalen Szene betreibt. Seine politische Karriere begann Tag in der NPD. Bereits Ende der siebziger Jahre gründete er eine Reihe rechtsextremistischer Gruppen wie die „Grüne Aktion Deutschland“ (GAD) und die „Aktion sauberes Deutschland“ (ASD). Kontakte hält Tag insbesondere zur „HNG -Hilfsgemeinschaft für nationale politische Gefangene“ und zur „Nationalen Volksfront (NVF) des Ex–Kühnen–Anhängers Willibald Kraus. Überregional bekannt wurde Ernst Tag als „Telefon–Faschist“. Bis 1985 betrieb er über einen Telefonanrufbeantworter in Ludwigshafen einen Ansagedienst, bei dem der Anrufer übelste Beschimpfungen gegen Ausländer, Asylanten, Juden und Kommunisten zu hören bekam. Erstmals wurde Tag dafür vom Ludwigshafener Schöffengericht Anfang 1984 wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhaß verurteilt. Seit Juni 1985 baut Tag nun im pfälzischen Weidenthal bei Kaiserslautern ein „Nationales Zentrum“ auf, ein Grundstück von über 1.000 qm mit einem Bauernhaus und einem Scheunentrakt. Im „Schulungsbrief“ führte er aus, sein Ziel sei, „Weidenthal zu einem bundesweiten Zentrum für die NS–Bewegung zu machen“. Da die „nationalsozialistische Szene in der BRD wertvolle Kampfeskraft“ durch interne Machtkämpfe verschwende, wolle er in Weidenthal „eine Gruppe von Volksgenossen zusammenfügen, die dann aufgrund ihrer Fähigkeiten und der dargebotenen Willens– und Geisteskonzentration ausstrahlen in das deutsche Volk und ganz Europa“. Im Zusammenhang mit dem Kauf des Anwesens hat die Staatsanwaltschaft in Gießen gegen Tag wegen des Verdachts der Hehlerei und des Verstoßes gegen das Waffengesetz Anklage erhoben. Es wird vermutet, daß ein Teil des Geldes für den Kauf des „Nationalen zentrums“ aus den Banküberfällen des Markus Mössle, Funktionär der Freiheitlichen deutschen Arbeiterpartei (FAP) stammt. Bei vier Überfällen hatte Mössle 1984 und 1985 in Baden–Württemberg und Hessen über 100.000 DM erbeutet. Wege „Verbreitung neonazistischer Propaganda“ ermittelt auch die Karlsruher Staatsanwaltschaft gegen Tag, weil in seiner Ludwigshafener „Reichsdruckerei“ Flugblätter gedruckt wurden, die im Prozeß gegen elf baden–württembergische Rechtsextremisten eine Rolle spielen. Dabei geht es um die Bildung der „Karlsruher Front“ und des „Stoßtrupps Renchen“, die als Nachfolgeorganisationen der ANS/NA eingestuft werden. Vor dem Landgericht Zweibrücken wird sich Tag demnächst wegen Aufstachelung zum Rassenhaß, Volksverhetzung und Beleidigung zu verantworten haben, nachdem der Bundesgerichtshof Anfang März einen Teilfreispruch, den er vor dem Landgericht Frankenthal erreicht hatte, aufhob (vgl. taz v. 5.3.87) In Weidenthal haben sich inzwischen Über 100 der 2.500 Dorfbewohner zu einer „Bürgerinitiative demokratischer Bürger gegen den Rechtsextremismus“ zusammengeschlossen, um dem Treiben der Rechtsextremisten Einhalt zu gebieten. Der Gemeinderat des Ortes bezeichnete Ernst Tag in einer Resolution als „ungebetenen Gast“. rog