„Jawoll, die Linkskoalition ist abgeschmettert“

München (taz) - „Wer isn dieser Schulze?“ bringt der CSU– Chef Franz–Josef Strauß mit Mühe hervor, als er zum Ende der am Wahlabend obligatorischen Bonner Runde noch aus der bayerischen Hauptstadt zugeschaltet wird. „Dieser Schulze“ und sein Kollege Reinhard Appel als Moderatoren hätten dem CSU–Vorsitzenden den Auftritt wohl gern erspart, wenn sie geahnt hätten, wo dies enden sollte. Schuld an allem war nicht unbedingt das schlechteste Wahlergebnis, das die Christlich–Sozialen in den letzten Jahren in Freistaat Bayern erzielt hatten. Das lange Warten auf die bayerischen Prozente in der Hoffnung, sie könnten die bundesweiten Verluste der großen Unionsschwester korrigieren und der bayerischen Stimme noch mehr Gewicht verleihen, hatte eine nicht vorhersehbare Wirkung.Als Strauß um 19.04 Uhr die Katakomben des Olympiastadions betritt, in der die CSU 800 Ehrengäste zur Siegesfeier geladen hatte, empfängt ihn nur müder Beifall. Zu tief sitzt bereits die Enttäuschung in den Gesichtern der Anwesenden angesichts der hochgesteckten Erwartungen. Zu laut ist auch die Kritik an dem taktischen Verhalten von Strauß, der schon zu früh die Parole vom sicheren Sieg ausgegeben und mit seinem Streit um die Außenpolitik der FDP zu ihren 9,1 Prozent verholfen habe. Ohne ein Interview zu geben, begibt sich Strauß zusammen mit Innenminister Zimmermann, Staatskanzleichef Stoiber und Bayernkurier–Chefredakteur Scharnagl an einen reservierten Tisch. Nicht gerade sanft werden Fotografen und Pressevertreter von uniformierten Polizisten und Wachmannschaften abgedrängt. Die erlauchte Runde bleibt hermetisch abgerieglt, man wolle intern beraten, heißt es. Mehrere Flaschen des „Frickenhäuser Kapellenberg“, eines 83er Silvaner aus Franken, sollen jedoch das weitere Schicksal des „Großen Vorsitzenden“ bestimmen, als Strauß sich dann doch noch auf dem Weg ins bis dahin verwaiste Fernsehstudio aufmacht.Jetzt schlägt ihm bereits aufmunternder Beifall entgegen. Die CSU–Getreuen haben inzwischen Trost bei üppigem kalten Büffet und ihren in Pelz, Mini oder traditionelles Dirndl gekleideten Gattinnen gefunden. Die Ungeduld wächst, als die Bonner Runde immer noch ohne „ihren Vorsitzenden“ debattiert. Dann ist es soweit. Die beiden Moderatoren entdecken Strauß auf ihrem Monitor. Obwohl die Sendezeit schon abgelaufen ist, kommt der Bayer noch dran. Schon an der Buchstabenfolge C– S–U scheitert er. Das Konsonantenpaar macht im ernsthafte Schwierigkeiten. Doch daß ihr Vorsitzender augenscheinlich lallt und kaum einen Blick direkt in die Kamera riskiert, tut der nun guten Stimmung in den Katakomben keinen Abbruch mehr. Im Gegenteil. Schweiß steht Strauß auf der ungeschminkten Stirn, als er endlich sein Fazit der „Schicksalswahl“ zieht: „Die Linskoalition ist abgeschmettert.“ „Jawoll“, tönts im Publikum, „endlich sagt einer, daß schließlich wir gwonnen ham.“ „Das Problem der CDU ist, daß sie zu lange gegen die CSU Wahlwerbung für die FDP gemacht hat“, fährt Strauß fort. „Bravo“, schallt es in den Katakomben, vergessen ist das anfängliche Murren über die Fehlleistungen des Vorsitzenden. Aggressiv reagiert er dann auf „diesen Schulze“. Als Strauß dessen Standardfrage nach seinen Bonn–Ambitionen als „unwürdig, dumm und sinnlos“ abschmettert, tobt der Saal. Schallendes Gelächter befreit vom Frust über die verlorenen Prozente. „Mensch, der Franz–Josef is ja heute nicht zu bremsen.“ Doch gleich nach Straußens TV–Auftritt geht die Stimmung im Ehrengastbereich des Olympiastadions - dem Ort angemessen - wieder in den Keller. Viele brechen kurz danach auf und verpassen so den Kommentar des SPD–Landesvorsitzenden Rudolf Schöfberger: „Hätte unser Ministerpräsident heute mehr gegessen und weniger getrunken, hätte er einen besseren Eindruck gemacht.“ Der rote Rudi freut sich, „daß die CSU einen auf den Deckel bekommen hat wie in den letzten 10 Jahren nicht mehr“. Als Trost bleibt den Ehrengästen, daß die Verluste in Bayern etwas niedriger als im Bundesdurchschnitt ausgefallen sind. Zu gering ist jedoch mit 0,2 Prozent der Unterschied, um daraus Kapital schlagen zu können. Alle 45 Direktmandate sind im Freistaat an die CSU gegangen. Selbst im WAA–Landkreis Schwandorf, in dem SPD–Landrat Schuierer diese Bundestagswahl „zur absoluten Schicksalswahl für die Oberpfalz“ hochstilisiert hatte. Bernd Siegler