Rüstungskontrolle ist nicht so wichtig

■ Reagan schränkt die noch vor kurzem gepriesenen Abrüstungsverhandlungen ein / Zustimmung zur Rüstungskontrollvertretung vor Beendigung der Amtsperiode Reagans unwahrscheinlich

Von Michael Fischer

Berlin (taz) - „Gott sei Dank, Reagan ist wieder der alte“, werden sich die rechten Parteikollegen des Präsidenten gedacht haben, als der Stabschef im Weißen Haus, Regan, kurz nach Reagans Wahlniederlage im Senat die neualte Linie der Reagan–Regierung verkündete. Hatten die Rüstungsfanatiker noch während des Gipfels in Reykjavik befürchtet, der Präsident werde ihr „Reich der Freiheit“ an die Russen verhö kern, so können sie jetzt wieder beruhigt ihren „Rüstungs“–Geschäften nachgehen. Kaum waren die Wahlen in den USA vorbei, wurden die noch vor wenigen Wochen überschwenglich gepriesenen Abrüstungsverhandlungen zu Grabe getragen. Führende Mitarbeiter Reagans verkündeten am Dienstag in der „Washington Post“, wie unwahrscheinlich es sei, daß Reagan noch vor Beendigung seiner Amtsperiode in zwei Jahren einem Rüstungskontrollvertrag mit der Sowjetunion zu stimmen werde. Regan erklärte, Reagan bleibe bei seiner Einschätzung, daß ein Zurückstecken bei SDI ein schlechtes Geschäft wäre. Womit er die Hardliner begeistert, die ihm schon nach seiner Rückkehr aus Reykjavik für seine Standhaftigkeit gegenüber Gorbatschows Abrüstungsoffensive gratulierten. Abrüstungspolitische Ernüchterung nach der Reykjaviker Gipfel–Euphorie stellt sich auch in Europa ein. Wieder einmal ist man den Taschenspielertricks der großen Kommunikatoren in Ost und West aufgesessen. Zu gerne hätte man geglaubt, daß „sie“ sich in Reykjavik einigen werden, obwohl doch alle Erfahrungen dagegen sprechen. Seit mehr als 20 Jahren starrt alles gespannt auf diesen nie endenden Prozess, der bislang nur immer mehr Waffen hervorgebracht hat. Als 1963 der Atomtestvertrag abgeschlossen wurde, der Atomversuche unter die Erde verbannte und (1974) auf 150 Kilotonnen beschränkte, wähnte man sich vor einem Durchbruch. Auch die 1972 geschlossenen ABM– und SALT I– Verträge wurden in Europa begeistert begrüßt. 1973 wurden die Europäer dann an den bisher erfolglosen MBFR–Gesprächen zur konventionellen Abrüstung beteiligt. Und 1979 verbanden sich wiederum große Hoffnungen mit dem SALT II–Vertrag, der die Obergrenze der strategischen Waffen festlegte. Keiner dieser Verträge hat die Rüstungspläne des Pentagon oder des Kremls jedoch sonderlich tangiert, konstatierte selbst die „Rüstungs“–Kaderschmiede „Arms Control and Disarmament Agency“ in einem Bericht letzte Woche. Ihr Fazit: Rüstungskontrolle ist nicht so wichtig.