Uran-Deal auf Minsker Schwarzmarkt

Sechs „Verkäufer“ in Weißrussland festgenommen. Brennmaterial könnte aus dem Reaktor von Tschernobyl stammen

MOSKAU taz ■ Sechs Personen sind in der weißrussischen Hauptstadt Minsk nach dem Versuch verhaftet worden, uranhaltige Zylinder ins Ausland zu verkaufen. Dabei ist der Verdacht aufgekommen, dass es sich um Brennmaterial aus dem Reaktor von Tschernobyl handeln könne.

Wie die Moskauer Tageszeitung Nesawisimaja Gaseta am Wochenende meldete, machten die Täter auf dem weißrussischen Schwarzmarkt publik, sie hätten 1,5 Kilogramm Uran zu verkaufen. Daraufhin habe sich ein als Ausländer getarnter Mitarbeiter des weißrussischen Geheimdienstes an die Gruppe herangemacht und Interesse bekundet. Einer Presseerklärung des weißrussischen KGB zufolge wurde dem Mann der Posten für 250.000 Dollar angeboten. Der Scheinausländer habe ein Pröbchen von 261 Gramm gekauft. Einer Expertise zufolge handelte es sich um Uran 235 und Uran 238. Der Zylinder, in dem sich das Material befand, machte den Eindruck eines Brennstabsbestandteiles aus einem Reaktor vom Tschernobyltypus.

Der genaue Zeitpunkt des Scheindeals und der darauf folgenden Verhaftungen ist noch nicht bekannt. Doch der stellvertretende Pressesprecher des Tschernobyler Atomkraftwerkes, Stanislaw Schestelo, erklärte letzte Woche: „Die Führung des Tschernobyler Atomkraftwerkes hat sich gezwungen gesehen, eine Bestandsaufnahme des Lagers der hier benutzten atomaren Brennstoffe vorzunehmen, und zwar im Zusammenhang mit der Entdeckung von geschmuggeltem Uran in Weißrussland.“ Schestelo versäumte den Hinweis nicht, dass nach Menschenermessen in den letzten Jahren in Tschernobyl nichts dergleichen hätte gestohlen werden können, weil das gesamte Kraftwerk einer ständigen Videokontrolle unterliege. Auch erinnerte er daran, dass in den Ländern der Ex-Sowjetunion noch genügend andere Atomkraftwerke dieses Typs aktiv sind.

Schestelo gab aber zu, dass im Jahre 1993 aus dem Tschernobyler Kraftwerk Röhrchen mit Uranbrennstoff entwendet wurden. Diese könnten möglicherweise zurückgehalten worden sein, um sie erst heute auf den Markt zu werfen. Die angebotene Menge von 2,5 Kilo – vorausgesetzt, es handelt sich um angereichertes Uran – reicht nach Meinung von Experten um jeden Bin Laden zu beglücken, der daraus eine vollwertige Atomwaffe basteln könnte. BARBARA KERNECK