Kompetenz ohne Erneuerung

Auf der diesjährigen Internationalen Möbelmesse Köln setzten die meisten Aussteller angesichts des wirtschaftlichen Drucks auf eine Konsolidierung ihres Profils. Die parallel laufende „Passagen“-Veranstaltung war konzeptionell viel interessanter

Da nur ein gering steigender privater Verbrauch erwartet wird, scheinen die Möbelhersteller größere Investionen zu scheuen

von MICHAEL KASISKE

Christian Olufemi überlegt einen Augenblick. Die Frage nach den Neuheiten bei Cous scheint zu irritieren und er schaut distanziert in die Runde der eigenen Kollektion. Für die diesjährige Internationale Möbelmesse Köln ist die Haltung charakteristisch: Die ausstellenden Produzenten zeigten zwar Kompetenz, aber kaum Erneuerungen. Olufemi präsentiert denn auch mit seinem Partner Uli Schmid ein Sofa, dass das gediegene Retro-Design der runden Ecken, edlen Oberflächen und üppigen Polster angemessen fortführt.

Die beiden Architekten, die ihre Möbel selbst entwerfen und produzieren, bilden zum wiederholten Mal eine erfrischende Ausnahme auf der Messe, die immerhin die bedeutendste in Deutschland ist. Auf 286.000 Quadratmetern stellen 1.548 meist mittelständische Unternehmen aus 47 Ländern ihre Produkte dem kritischen Blick der Einkäufer und Fachhändler. Angesichts des wachsenden Drucks durch Importe, Plagiate und steigende Lohnkosten sind die Nerven angespannt. Denn es geht um einen Markt mit einem Umsatz von rund 42,5 Milliarden Mark, der abhängig von der Konjunkturlage und dem Konsumverhalten der Verbraucher ist.

Da nur ein gering steigender privater Verbrauch erwartet wird, scheinen die Möbelhersteller größere Investitionen zu scheuen und mehr auf die Stärkung ihres Profils zu setzen. So hat sich etwa Thonet, bekannt für ihre „Caféhaus-Stühle“ aus gebogenen Bugholz, auf seine Tradition in der Holzverformung besonnen und einen Sessel mit signifikant geformten Sitzschalen auf Kufen entwickelt, der wie eine Veredelung der früher gängigen Stühle in Versammlungsräumen aussieht.

Classicon zeigte, ganz im Sinn seiner re-editierten Stahlrohrmöbel der 20er-Jahre, eine moderne Variante: den Sessel „Chaos“ von Konstantin Grcic; dieses Fauteuil – geknickt, mit kurzer Sitzfläche und hoher Lehne – gibt keine Sitzhaltung vor und erinnert damit an den dreibeinigen, asymmetrischen Stuhl von Stefan Wewerka. Grcic, der aktuell wohl erfolgreichste „Industrial Designer“ Deutschlands, stellte bei Böwer einen Beistelltisch namens „School“ vor und war auch zu entdecken in Nils Holger Moormanns schönem Stand, der wie ein Stapel geöffneter Transportkisten aussah.

Die Unvoreingenommenheit gegenüber innovativen Werkstoffen zeigte erneut die italienische Firma Zanotta, die einst mit dem Sessel „Blow“ das erste aufblasbare Möbelstück produzierte. Sie stellte die Liege „Soft“ des Berliner Designers Werner Aisslinger in den Mittelpunkt des Standes: Es ist die erste serielle Anwendung seiner mit einem Gel gefüllten „Soft Cells“; mögliche Nutzungen dieses eingeschweißten Gels als Polsterung hatte Aisslinger bereits im vergangenen Jahr in den „Passagen“ vorgestellt.

Die „Passagen – Interior in Köln“ ist eine parallel zur Messe laufende Veranstaltung, die an verschiedenen Orten in der Innenstadt Design ausstellt und – anders als die Möbelmesse – jedem zugänglich ist. Inzwischen prägen auch renommierte Hersteller aus Italien das Image der „Passagen“, die sich als „Off-Programm“ versteht. Cappellini etwa nutzte ein altes Deutzer Fabrikgebäude statt sich ins Einerlei der Messestände zu begeben.

Die Atmosphäre alter Industriegebäude und der beteiligten Galerien rückte die ausgestellten Gegenstände in den Kunstbereich. Das Designerduo Vogt + Weizenegger wurde einerseits mit neuen Abkömmlingen seiner Leuchtenserie „Woodlightfamiliy“ von der britischen Firma Babylon auf der Messe vorgestellt, andererseits präsentierten sie in eigener Regie die „Workstation“ im Rahmen der „Passagen“ mit einer Videoinstallation, die mit live-geschalteten „Überwachungskameras“ das Stück bereits in Gebrauch zeigte.

Nicht weniger konzeptionell war das deutsch-schweizerischen Projekt „drive in“ von Bibi*Gutjahr und N 2 Design im Rheinauhafen. Hier reflektierten verschiedene Gestalter mit dem nötigen Witz die heutige Rolle des Autos und lenkten so die Diskussion verstärkt auf den konzeptionellen Teil des Designs. Die Gruppe Radi Designers ließ sich etwa von Airbags zum P.O.C. – „Pedestrian Oriented Car“– anregen, dessen Karosserie rundherum weich gepolstert ist; Bibi*Gutjahr fordert mit dem „private roof project for urban settlements“ auf, das private Automobil im städtischen Raum zu nutzen, indem das Autodach zum kleinen Freizeit-„parkplatz“ erweitert wird.

N 2 und Bibi*Gutjahr (letztere unter dem Namen Kombinat) stellten auch Möbel vor, die in der außergewöhnlichen Kollektion des niederländischen Produzenten Hidden zu finden sind. Hidden verfolgt die Visionen der Entwerfer, um ihre originellen Ideen unmzusetzen. Die Liege „wegtauchen“ von N 2, eine Kunststoff-Holz-Kombination, lässt sich mittels einer Kurbel derart zusammenziehen, dass sich ein Kopfteil bildet. Die Möbel von Kombinat aus Stahl, Aluminium und MDF wirken dagegen gediegener; die Sitzbank „Zebra“ mit ihrer seitlichen Leuchte erscheint wie eine inszenierte Wartebank für eine Person.

Der Rundgang durch die Stände und Ausstellungsräume gleicht im Rückblick dem sprichwörtlichen Ritt über den Bodensee: Die Fülle des Gezeigten macht das Auffinden einer formalen Richtung unmöglich. Der gemeinsame Nenner auf der Internationalen Möbelmesse Köln als auch auf den „Passagen“ war allein die Konsolidierung in Konzept, Form und Material.

www.cous.de, www.thonet.de, www.classicon.com, www.boewer.com, www.moormann.de, www.zanotta.it, www.babylondesign.com, www.hidden.nl, www.drive-in-cologne.de