Nichts am Hut mit Honecker

Was der Vater noch mit Anmut zu lüpfen wußte, verlangt vom Sohn das Bekenntnis zu modischer Bewußtheit  ■ Von Heinz-Günter Hollein

Zwischen Hüpfburgen und Hundeausbildung: In solch wenig elegante Umgebung führt den hutsuchenden Mann dieser Tage die Suche nach einer kompetenten Adresse für „Hüte und Mützen“ im Hamburger Branchenbuch. Was der Vater noch – je nach sozialem Rang des Entgegenkommenden – in feiner Abstufung mit Selbstverständlichkeit zu lüpfen wußte, verlangt dem Sohn heute das Bekenntnis zu modischer Bewußtheit ab.

„So einer fehlt uns heute“, trauert Uwe Falkenhagen vom gleichnamigen Huthaus gegenüber dem Ratsweinkeller denn auch den Tagen Adenauers nach. Nicht etwa aus Polit-Nostalgie, der bocciaspielende Alte von Rhöndorf war als Werbeträger für den Pepitahut eben auch eine umsatzrelevante Größe. Die entschlossene Westorientierung des Altkanzlers sitzt darüber hinaus bei älteren Kunden nicht nur fest im, sondern auch auf dem Kopf: „Bloß keinen Honecker!“ wird jedem Wandel durch optische Annäherung noch im nachhinein eine ideologisch feste Absage erteilt.

Ältere Herren bevorzugen statt dessen modisch nicht allzu ausgeprägte, leichte Stoffmodelle, oft auf ärztliches Anraten. Seit Anfang der neunziger Jahre registriert Uwe Falkenhagen in seinem Geschäft „einen ganz deutlichen Anstieg“ von Kunden, die mit einer Kopfbedeckung an sich gar nichts mehr am Hut haben. Aber eine altersbedingt lichte Kalotte ist angesichts steigender Ozonwerte heute eben eine hautkrebsgefährdete Zone erster Gefahrenklasse.

Manch Jungmann dagegen greift zwecks Tarnung vermeintlich unschön-präseniler Kahlheit zum Haupteshüter. Die Absicht erfordert notgedrungen ein ständiges Verweilen, und flugs erweist sich das Verlegenheitsaccessoire als Markenzeichen. Hamburgs bekanntester Dauerhut, Alt-Paniker Udo Lindenberg, ordert zwar immer noch fleißig, „aber einen richtigen Trend hat er nicht ausgelöst“, bedauert Uwe Falkenhagen. Da mußte erst einer wie Harrison Ford kommen, dessen angeknautschter „Indiana-Jones“-Filz seit Jahren einen treuen Stamm verwegener Köpfe ziert. Und Bogey's melancholisch-schlappen Hut ersetzte, der, wie Falkenhagen lakonisch informiert, nichts weiter war, als eben einer „mit besonders breitem, weichen Rand“.

Uwe Falkenhagen führt seit 40 Jahren mit seinem Bruder in der klassischen Atmosphäre aus gediegener Hanseatik und englischem Country-Style das Geschäft, das ihre Mutter in den Dreißigern gegründet hatte. Das Haus ist eins von knapp drei Dutzend Überlebenden der fast neunzig Hutläden, die bis in die fünfziger Jahre Hamburgs Köpfe bedeckten. Paradoxerweise kam der große Einbruch mit dem Wirtschaftswunder. Zwischen Vatis Kopf und dem Dach des ersten eigenen Käfers war einfach kein Platz mehr für das zwischenbürgerliche Grüßinstrument. Und vor wem denn noch den Hut ziehen, wenn allenthalben an die Stirn getippte Zeigefinger den automobilen Diskurs beherrschten?

Eine, die in Hamburg entschlossen zur Trendwende angetreten ist, heißt Monika Fleck. In ihrem Atelier im Bleichenhof bestreitet sie ganz entschieden, daß der Herrenhut aus dem Straßenbild verschwunden sei. „Da müssen Sie nur mal richtig hingucken“, fordert sie energisch und betont, daß seit zwei, drei Jahren der Hut vor allem jüngere Männer wieder anzieht. „Lässig-elegant, mit leichtem Outdoor-Touch“ sei bei den unter Dreißigjährigen angesagt, wenn möglich noch mit „individuell-kreativer Note“. Der pirscht Monika Fleck auf Messen und bei Herstellern so erfolgreich nach, daß sich mittlerweile ein Teil ihrer nicht unbeträchtlichen Stammkundschaft am „Fleck-Hut“ erkennt.

Seit fünfzehn Jahren entwirft und verkauft die gelernte Hutmacherin mit derartigem Erfolg Hüte, daß sie nicht einmal Zeit für ihre Meisterprüfung hatte. Ästhetisch gesehen empfindet sie den Zusammenbruch der Branche in den 60ern als Segen. „Der deutsche Hut war eine Katastrophe: steif, häßlich und im Ausland zu recht verspottet.“ Stetson, Borsalino und der handgeflochtene Panama, der eigentlich aus Ecuador kommt, bestimmen denn auch Angebot und Nachfrage. Vom Hut als Luxusartikel will Monika Fleck nichts wissen. „Das Preisniveau bewegt sich im gleichen Rahmen wie bei Markenschuhen.“ Das heißt, ca. 130 Mark für einen einfachen Panama und rund 450 Mark für einen Borsalino der Spitzenklasse.

Seit der Mann kein Herr mehr ist, greifen auch immer mehr – vor allem junge – Frauen zum Herrenhut, zumeist auf Flohmärkten und in Second-hand-Läden. Monika Fleck findet das auch ganz in Ordnung, „für den Anfang“. Die geschlechterübergreifende Hutlösung kommt aus Frankreich: der Fléchet, „männlich-elegant“ und – natürlich – „unwiderstehlich weiblich“, mit ein paar Püffen und Knüffen in jede nur denkbare Tages- und TrägerInnenform zu bringen und widerspruchslos in Hand- und Jackentasche knautschbar, eben schlicht ein Knüller.