Der Putsch in Paraguay, der keiner war

Am 22. April wurde aus Paraguay ein Putschversuch des Armeechefs General Lino Oviedo gegen Präsident Carlos Wasmosy gemeldet. Ein Untersuchungsausschuß sieht das anders: Wasmosy selbst habe die Krise initiiert  ■ Aus Asunción Astrid Prange

Bei dem mit großer internationaler Aufmerksamkeit verfolgten Putschversuch in Paraguay am 22. April dieses Jahres handelt es sich vermutlich um eine Fälschung. Zu diesem Ergebnis kam Anfang des Monats ein Untersuchungsausschuß des paraguayischen Kongresses. Nach dessen Einschätzung sind sowohl der ehemalige Armeechef General Lino Cesar Oviedo als auch Paraguays Präsident Juan Carlos Wasmosy für die politische Führungskrise im April verantwortlich. Während Oviedo in einem Militärgefängnis von seiner Zukunft als nächster Präsident Paraguays träumt, muß das amtierende Staatsoberhaupt Wasmosy immer häufiger Gerüchte über seinen Rücktritt dementieren.

Selbstputsch nach dem Vorbild Fujimoris?

Exarmeechef Oviedo muß sich vor Paraguays Justiz wegen eines vermeintlichen Staatsstreichs verantworten. Dem 51jährigen General wird vorgeworfen, Paraguays Präsidenten Juan Carlos Wasmosy in der Nacht vom 22. April dieses Jahres den Gehorsam verweigert zu haben. Der ehemals mächtigste Mann Paraguays, der zwei Drittel aller nationalen Waffen und Kriegsgeräte kontrollierte, soll seine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand abgelehnt und danach im Heereshauptquartier die Truppen in Alarmbereitschaft versetzt haben. Der beim Volk beliebte General, der im Februar 1989 Paraguays Exdiktator Alfredo Stroessner mit einer Handgranate aus dem Regierungspalast vertrieb, behauptet das Gegenteil: Nicht er, sondern Präsident Wasmosy hätte ihm einen Putsch vorgeschlagen. Wasmosy, so die Version Oviedos, wollte nach dem Vorbild von Perus Präsidenten Alberto Fujimori den paraguayischen Kongreß auflösen.

Was sich nun wirklich in der Nacht vom 22. April in der Hauptstadt Asunción abspielte, fand auch die von Paraguays Kongreß eingerichtete Untersuchungskommission nicht vollständig heraus. Sie warf Staatsoberhaupt Wasmosy jedoch in ihrer Abschlußerklärung vor, durch seine Unentschlossenheit die Regierungskrise provoziert zu haben. „Wenn General Oviedo dem Präsidenten seinen Gehorsam verweigerte, wieso ließ er ihn dann nicht unverzüglich verhaften?“ lautet eine der Fragen des Schlußdokuments.

„Es ist schwierig, Oviedo etwas nachzuweisen. Er hat ja recht, wenn er sagt, daß er seine Entlassung nur schriftlich entgegennimmt“, meint die Journalistin Mariá Isabel Ribeiro. „Doch wenn er nicht geputscht hat, wieso hat er dann keine Pressekonferenz einberufen, um die Gerüchte zu dementieren?“ Die Journalistin ist davon überzeugt, daß die Justiz den General a. D. wegen des vermeintlichen Putschversuches verurteilen wird.

Der paraguayische Politikwissenschaftler Ricardo Canese – einer der Anführer der Bewegung „Fuera Wasmosy“, die den Präsidenten zum Rücktritt zwingen will – macht politische Rivalitäten für die Konfrontation zwischen Oviedo und Wasmosy verantwortlich. „Oviedo und Wasmosy waren bis vor kurzem Verbündete“, erklärt Canese. Wenn Oviedo wirklich die Verfassung mehrfach verletzt habe, dann mit ausdrücklicher Genehmigung Wasmosys. „Oviedo hat dafür gesorgt, daß Wasmosy bei den ersten demokratischen Wahlen im Mai 1993 gewonnen hat“, erläutert er. Sowohl bei den parteiinternen Wahlen der „Colorado“-Partei im Dezember 1992 als auch bei den Präsidentschaftswahlen im Mai 1993 hätten beide die Wahlergebnisse zuungunsten des Gegenspielers Luis Maria Argana gefälscht.

Eine Woche nach dem vermeintlichen Putsch wurde Luis Maria Argana zum neuen Vorsitzenden der „Colorado“-Partei gewählt. Auch Präsident Juan Carlos Wasmosy und General Oviedo gehören der „Colorado“-Partei an, die Paraguay seit 45 Jahren ununterbrochen regiert. Es gehört zu den parteipolitischen Besonderheiten des kleinen südamerikanischen Landes, daß für eine Partei stets mehrere Kandidaten bei Präsidentschafts- und Bürgermeisterwahlen antreten können.

Der neue Colorado-Vorsitzende Luis Maria Argana gilt als treuer Gefolgsmann von Exdiktator Alfredo Stroessner, der Paraguay von 1954 bis 1989 mit eiserner Hand regierte. Nach dem gegen ihn gerichteten Wahlbetrug sind Oviedos Chancen, als Kandidat der Colorados für die Präsidentschaftswahlen im Jahr 1998 aufgestellt zu werden, folglich so gut wie nichtig.

Präsident und Armeechef – Unternehmerkonkurrenten

Auch handfeste wirtschaftliche Interessen sollen zum Bruch zwischen Oviedo und Wasmosy geführt haben. „Oviedos Anhänger im Senat haben versucht, den Bau der zweiten Brücke über den Fluß Paraná in Foz de Iguazu zu blockieren, weil nicht Oviedos Firma, sondern Wasmosys Unternehmen den Zuschlag bekam“, erklärt Ricardo Canese. Seine Bewegung wirft dem Präsidenten vor, bei öffentlichen Ausschreibungen die Aufträge stets an seine eigenen Unternehmen zu vergeben.

Paraguays Präsident Wasmosy, Sohn ungarischer Einwanderer, gilt als einer der reichsten Männer seines Landes. Nach drei Jahren Regierung hat er jeglichen politischen Rückhalt verloren. Weder im Parlament noch innerhalb der „Colorado“-Partei, geschweige denn bei den Gewerkschaften oder der ärmeren Bevölkerung, verfügt er über politische Mehrheiten.

„In Paraguay hat sich ein gefährliches Machtvakuum ausgebreitet“, meint Maria Isabel Ribeiro. Nach Ansicht der Journalistin deutet zur Zeit alles darauf hin, daß Stroessner-Anhänger Argana die nächsten Präsidentschaftswahlen gewinnen wird. „Seit der demokratischen Öffnung geht es dem Volk wesentlich schlechter“, beobachtet die Korrespondentin. Arganas Aufstieg verkörpere die Sehnsucht vieler Paraguayer nach der „guten alten Zeit“.