DAS ENTSCHEIDENDE DETAIL
: Pulloverparadigmen

SPRACHE In New York gibt es jetzt Pullover ohne Kapuze: Hoodless Sweatshirts. Aber warum muss man das extra erwähnen?

Woran denken Sie, wenn Sie das Wort „Bundesliga“ hören? An die Handballbundesliga? Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit denken Sie an die Männerfußballbundesliga, die in der öffentlichen Wahrnehmung dermaßen stark heraussticht, dass sie mit dem Gattungsnamen gleichgesetzt wurde.

Weil nun aber alle Welt von der Bundesliga spricht, wenn sie die Männerfußballbundesliga meint, verfestigt sich in unseren Köpfen, dass eine Bundesliga etwas für Männer und für Fußball zu sein hat. So läuft das mit der Normativität der Sprache. Doch manchmal ändern sich die Dinge auch. Solch ein semantischer Shift vollzieht sich wie Plattentektonik, in für den Menschen kaum wahrnehmbarer Geschwindigkeit. Ein Anzeichen hier, ein Anzeichen da, und irgendwann ist es dann einfach passiert. So gab es noch vor zehn Jahren Kneipen – und Nichtraucherkneipen. Inzwischen trennen wir zwischen Raucherkneipen und Nichtraucherkneipen, und in zehn Jahren ist der Begriff „Nichtraucherkneipe“ ausgestorben.

Zeuge eines derartigen Wandels kann man aktuell im Textilbereich werden. In New York bietet ein Touristenshop auf der Canal Street „Hoodless Sweatshirts“ an, kapuzenlose Pullover. So weit ist der Siegeszug des Kapuzenpullovers also fortgeschritten, dass inzwischen die Abwesenheit einer Kapuze einer besonderen Erwähnung bedarf, nicht ihr Vorhandensein. Weil jeder weiß, dass ein Ding namens „Pullover“ im Normalfall eine Kapuze zu haben hat. Bis diese Entwicklung in Deutschland ankommt, werden noch viele Jahre vergehen. Aber eins ist sicher: Der Paradigmenwechsel in der Pulloverwahrnehmung, er ist nicht mehr aufzuhalten. MBR