Inklusion auf Sparflamme

INKLUSION Niedersachsen hat Nachholbedarf bei der Sonder- und Rehabilitationspädagogik. Genügend Lehrkräfte soll es erst in fünf bis zehn Jahren geben

Niedersachsen ist nach Ansicht des Oldenburger Erziehungswissenschaftlers Heinrich Ricking beim gemeinsamen Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Kindern bundesweit Schlusslicht. Es gebe großen Aus- und Weiterbildungsbedarf bei Lehrern, sagte der Professor für Sonder- und Rehabilitationspädagogik am Dienstag bei einer Fachtagung der Caritas in Stapelfeld bei Cloppenburg. Trotz aller verstärkten Aus- und Weiterbildungsprogramme werde es noch fünf bis zehn Jahre dauern, bis die Zahl der Lehrkräfte ausreichend sei. „Man hätte schon vor fünf Jahren beginnen müssen“, sagte er mit Blick auf eine entsprechende Konvention der Vereinten Nationen für die Rechte von Behinderten.

In Niedersachsen gibt es seinen Angaben zufolge etwa 50.000 Kinder mit Förderbedarf. Seit 2013 haben Eltern einen Anspruch darauf, dass ihre behinderten Kinder eine Regelschule besuchen dürfen. Es werde aber auch künftig Förderschulen und Tagesbildungseinrichtungen geben, sagte Ricking. Entscheidend sei der Elternwille: „Gegen den Willen der Eltern Inklusion durchzusetzen, geht nicht.“

Sonderpädagogen werden in Niedersachsen an den Universitäten Oldenburg und Hannover ausgebildet. Um auf den Inklusionswunsch von Eltern reagieren zu können, seien bereits 60 Lehrer von Grund- und Hauptschulen in Aufbaustudiengängen weitergebildet worden. Die stellvertretende Staatssekretärin im niedersächsischen Sozialministerium, Claudia Schröder, räumte ein, dass Niedersachsen seinen Bedarf an Sonderschullehrern nicht allein decken könne. „Wir wildern in anderen Bundesländern.“

Damit Inklusion ein Erfolg werden könne, müsse es möglichst viele positive Erfahrungen mit dem gleichberechtigten Miteinander von Behinderten und Nichtbehinderten geben, sagte Ricking. „Wir sind alle aufgewachsen in Zeiten der Trennung.“ Wichtig sei es, dass bei der Förderung auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder Rücksicht genommen werde. Es gehe nicht um Ideologie und nicht um einen Weg, der für alle gültig sei. „Es darf keine Zwangsinklusion geben“, sagte Ricking.  (dpa)