Lebensgier und Klebrigkeit

Die SWR-Nachwuchsreihe „Debüt im Dritten“ zeigt schöne Episoden – lässt aber auch Raum, um Zigaretten zu holen

Die Realität und Mannheim haben für Holger eins gemeinsam: Beide sind ein bisschen trostlos.

Bei der Arbeit ist der Altenpfleger, gerade von Berlin in die Quadratestadt gezogen, eine Ausnahmeerscheinung: jung. Ein Mann. Des Hochdeutschen mächtig. Er ist einsam. Oder sexsüchtig. Oder beides. Auf jeden Fall nicht wählerisch. Als sich die Chance bietet, mit der handfesten Küchenhilfe Barbara (Pola Kinski) anzubandeln, greift er zu. Die strengt sich auch redlich an, sich zu verlieben – und wenn es nur ist, um mit dem Liebesleben ihrer 14-jährigen Tochter mitzuhalten. Nach der ersten Nacht bäumchenwechseldicht Holger aber schon zu Heimleiterin Petra (Isolde Fischer), die ihrerseits des Wartens auf ihren verheirateten Geliebten müde ist.

In „Wir werden uns wiederseh’n“, der am Mittwoch im SWR läuft, sucht man vergebens nach der großen Liebe. Was man findet, ist der Traum davon. Es geht um Menschen, die sich nach überbordender Leidenschaft sehnen – und eine abgestandene Affäre kriegen. Diese Lebensgier verlegen Stefan Hillebrand und Oliver Paulus: ins Altersheim. Daraus entstehen kleine Episoden voller Wärme, etwa wenn Holger mitten in der Nacht am Bett der senilen Frau Kramer steht und wie eine Möwe gurrt, weil sie so gern ans Meer will.

„Wir werden uns wiederseh’n“ ist einer der zugleich schmerzlichsten und witzigsten Beiträge der SWR-Reihe „Debüt im Dritten“, mit der seit 22 Jahren Nachwuchsfilmemacher gefördert werden. In diesem Jahr lief auch die international erfolgreiche Produktion „Die fetten Jahre sind vorbei“ – entstanden für die „Debüt“-Reihe. Leider geht die Formel „junger Regisseur plus Fördergeld gleich innovative Filmidee“ nicht immer auf.

„Liebe und Wahn“ von Mike Huber, der letzte Film der Staffel, will ein Thriller im Stile Hitchcocks sein. Nach der ersten Viertelstunde kann man jedoch getrost Zigaretten holen gehen oder auch eine Bergwanderung einschieben, ohne etwas zu verpassen. Wenn Sebastian, der Streber mit dem klebrigen Seitenscheitel, in Minute 13 zufällig in der Bar auftaucht, in der die Professorin sitzt, riecht jeder TV-Sozialisierte Lunte.

Aber selbst die, die Freitagabend ins Bett mussten, kapieren, wenn er zwei Minuten darauf sein Psycho-Gesicht macht und ein „Frau Lanz, Sie sind eine sehr attraktive Frau“ haucht: Der ist nicht ganz sauber. Es kommt ausgerechnet, wie es kommen muss: Stalking, keiner glaubt ihr, Wahnvorstellungen, ihr Leben gerät aus den Fugen. Das kann man „geradlinig“ nennen, wie es der SWR tut. Es gibt dafür aber auch ein anderes Wort: vorhersehbar. SARAH STRICKER

Mi., 23 Uhr: „Wir werden uns wiederseh’n“; 26. 9., 23 Uhr: Kurzfilmrolle; 2. 10., 22.30 Uhr: „Liebe und Wahn“